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Aus Kongos Mine Shinkolobwe kam das Uran für die US-Atombomben von 1945. Offiziell ist die Förderung eingestellt. Aber tausende Bergleute graben dort weiterhin nach wertvollen Erzen, unter unmenschlichen Bedingungen

BERLIN taz Wenn die Bergleute von Shinkolobwe zur Arbeit gehen, ziehen sie sich aus. Halbnackt klettern sie 20 bis 30 Meter tief in die engen Tagebauminen, wo sie im Laufe ihrer Arbeit die braune Farbe der Erde annehmen. Mit Hacken und Schaufeln suchen sie grün oder schwarz schimmernde Erdschichten - Zeichen, dass es hier wertvolle Erze gibt. Es kann Wochen dauern, und zuweilen stürzt die Mine ein und begräbt die Bergleute unter sich. Shinkolobwe ähnelt vielen Bergwerken in der zerstörten Ökonomie der Demokratischen Republik Kongo. Allein im südkongolesischen Bergbaurevier von Katanga graben 600.000 Schürfer in den verlassenen industriellen Bergwerken herum.

Aber Shinkolobwe, im Süden von Katanga nahe der Grenze zu Sambia, ist nicht irgendeine Mine. Von dort kam das Uran, mit dem die USA im Zweiten Weltkrieg die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki bauten. Und bis heute gilt die Mine als ein Sonderfall. Mörderische Arbeitsbedingungen, radioaktive Verseuchung - das hat die UNO und die Internationale Atomenergiebehörde auf den Plan gerufen. Sie haben Experten nach Shinkolobwe geschickt, und deren Fazit ist einhellig: Diese Mine muss sofort geschlossen werden.

"Rund 3.000 Bergleute leben im Zentrum von Shinkolobwe", beschreibt die kongolesische Menschenrechtsorganisation Asadho (Afrikanische Menschenrechtsvereinigung) in einem neuen Untersuchungsbericht, der der taz vorliegt, die Zustände. "Sie hausen in einer Siedlung von etwa 2.000 Lehmhütten mit Strohdächern, drei Kilometer von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Die Kinder werden in den Hütten geboren; das nächste Krankenhaus ist über 15 Kilometer entfernt, die nächste Schule auch. Viele Frauen kommen mit ihren Kindern zu ihren Ehemännern, weswegen es über 1.000 junge Mädchen zwischen 14 und 30 Jahren gibt. Ihre Haupttätigkeit ist die Prostitution. Die meisten der rund 700 Kinder sind unter acht Jahre alt. Die stärksten von ihnen werden für Hilfsarbeiten eingesetzt, wie Wassertragen. Denn es gibt kein fließendes Wasser in Shinkolobwe. Alle sagen, dass das Wasser aus den umliegenden Brunnen radioaktiv verseucht ist; es sei bitter und brenne auf der Haut. Es gibt dort zwar Warnschilder mit der Aufschrift: Betreten verboten, radioaktiv. Aber die Bergleute haben sie weggenommen und daraus Schaufeln gemacht."

Den Bergleuten ist das egal: Sie suchen Uran. "Wir sind doch schon Leichen, und eine Leiche muss keine Angst vor Radioaktivität haben", zitiert ein kongolesischer Zeitungsbericht einen Bergmann. Ein anderer sagt: "Jeder sucht sich aus, woran er stirbt. Der eine stirbt an Malaria, der andere an den Kugeln von Rebellen. Ich entscheide mich für die radioaktive Verseuchung."

Aber das Uran von Shinkolobwe ist ein Mythos. Die Tagebauminen des Bergwerks, von denen eine "Tora Bora" genannt wird, befinden sich auf Abbauhalden alter belgischer Kolonialminen. Denn früher wurden im Kupferbergbau andere Erze achtlos weggeworfen, die heute wertvoll sind - zum Beispiel Uranerze. Die richtigen Uranvorkommen liegen viel tiefer unter der Erde, und da kommt kein Schürfer heran. Dennoch: "Möglicherweise chronisch der Radioaktivität ausgesetzt zu sein", befanden im November die UN-Experten, erzwinge die Schließung der Mine.

Kaum eine Mine der Welt ist schon so oft geschlossen worden. Die Belgier taten das bereits während des Zweiten Weltkriegs und schickten das geförderte Uran in die USA, wo es zu Atombomben verarbeitet wurde. Bei Kongos Unabhängigkeit 1960 schlossen sie sie erneut und nahmen die technischen Unterlagen mit. Als Diktator Mobutu in den 70er-Jahren Kongos Bergbau verstaatlichte, wurde die Kleinstadt Shinkolobwe aus Umweltschutzgründen platt gemacht. Seither hausen die Bergleute in selbst gebauten Hütten. Als Mobutu 1997 vor dem Sturz durch die Rebellion von Laurent Kabila stand, ließ er Shinkolobwe wieder ausgraben und das Schürfprodukt von seinem belgischen Freund Georges Forrest nach Finnland verkaufen, um mit dem Erlös Waffen zu kaufen. Es ging schief: Mobutu verlor den Krieg, Forrest schlug sich auf die Seite des Siegers Kabila, und in Mobutus Löcher rückten die Schürfer ein.

Als Kabila dann selbst gegen Rebellen Krieg führte, tat er so, als sei Shinkolobwe sehr wertvoll, damit sich die Atombombenbauer in Libyen und Nordkorea für ihn interessierten. Daraufhin kamen noch mehr Schürfer, denn sie glaubten Kabila auch. Der wiederum ließ seine Präsidialgarde bei den Bergleuten abkassieren. Zuletzt geschlossen wurde Shinkolobwe von Kongos heutigem Präsidenten Joseph Kabila per Dekret im Januar 2004, aber Schürfer scheren sich nicht um Dekrete und die Präsidialgarde auch nicht.

An das richtige Uran sind die Schürfer von Shinkolobwe nie herangekommen, sondern nur an die Spuren davon in den Halden und den obersten Erdschichten. Ihr Förderprodukt firmiert unter dem Sammelbegriff "Heterogenit". Das enthält vor allem Kobalterz, aber auch Eisen- und Kupfererze.

Was genau alles drin ist, können die Schürfer nicht wissen. Der Schürfer muss dem Käufer, zumeist ein Kleinhändler, Proben überlassen, die dieser wiederum von seinem Ankäufer, zumeist eine größere Handelsfirma, in der nächsten Stadt testen lässt. Hier betrügt jeder jeden. Der Kleinhändler muss davon ausgehen, dass man ihm im Labor die Probe für wertlos erklärt; und daher sagt er dem Schürfer in der Regel gleich, sein Erz sei nur Sand, und bezahlt möglichst wenig.

Als Alternative, so berichten die Asadho-Untersucher, bieten Händler den Schürfern Hilfe an, Kupfer oder Kobalt aus der offiziellen staatlichen Förderung zu klauen und zu verkaufen. "Dazu verbünden sich die Schürfer mit Wachsoldaten und Lokführern, um die Güterzüge mit den Mineralien entgleisen zu lassen, den Inhalt auszukippen und ihn zu verkaufen."

Daher, so die britische Organisation "Global Witness", sind Kongos offizielle Kobaltexporte zehn- bis zwanzigmal höher als die offizielle Förderung. Und mit dem Hinweis auf radioaktive Verseuchung kann man Neugierige leicht fern halten.

DOMINIC JOHNSON

Quelle: taz Nr. 7557 vom 6.1.2005, Seite 10, 225 Zeilen (TAZ-Bericht), DOMINIC JOHNSON