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Die Erde wurde eingefroren

Der neue Bildband des Autoren-Duos Schüler und Coenen dokumentiert auch den Versuch, Braunkohle im Tiefbau zu fördern.

Rhein-Erft-Kreis - Volker Schüler und Manfred Coenen sind ein zuverlässiges Gespann. Wenn es etwas auszugraben gibt, dann finden sie es. Besonders dann, wenn es um die Geschichte der Rheinischen Braunkohle geht. Nach der Veröffentlichung ihres Bildbandes „Das Rheinische Braunkohlenrevier“ im Mai vorigen Jahres haben die beiden erneut die Archive durchforstet und die Geschichte des benachbarten Reviers an Rur und Inde ins Visier genommen. Dabei entdeckten sie ein nahezu unbekanntes Kapitel in der gut 200-jährigen Braunkohlengeschichte.

Der neue Bildband „Braunkohle an Rur und Inde“ dokumentiert anhand von 200 Bildern und knappen Texten nicht nur die Entwicklung des West-Reviers um Weisweiler, den Bau des damals mächtigen Kraftwerks an der Autobahn 4, sondern auch den ersten und einzigen Versuch, Braunkohle unter Tage abzubauen.

Schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts vermuteten Bergingenieure im Städtedreieck Eschweiler, Düren und Jülich nach Probebohrungen 50 Milliarden Tonnen Braunkohle in der Erde. Die Kohle lag allerdings tief, und der Abbau war damals nach Ansicht der Fachleute nur im Tiefbau möglich. 1939 gründeten verschiedene Bergwerksunternehmen, „nicht ohne politischen Druck“, wie Schüler anmerkt, die Rheinische Braunkohlentiefbaugesellschaft (RTB).

„Union 103“ hieß das Feld zwischen Morschenich und Kerpen-Buir, auf dem ab 1942 eine Doppelschachtanlage entstand. In einer Tiefe von rund 300 Metern lag ein 60 Meter mächtiges Flöz, durch das die Bergleute sich bohrten. Der Bildband zeigt bis dahin unveröffentlichte Fotos von den Förderschächten „Morschenich 1 und 2“ und dem Maschinenhaus. Die Versuchsschächte erreichten eine Teufe von fast 350 Metern. Zwischen Stollen und Förderschacht zogen mit Akkus betriebenen Elektroloks die Loren hin und her.

Eigener Grubenbahnhof

1952 lief der Betrieb noch auf vollen Touren. Nach dem Krieg war die Anlage modernisiert worden. Inzwischen sorgten Förderbänder für die Verladung vom Schacht-Ausgang auf Eisenbahnwaggons. RBT-Morschenich verfügte sogar über einen eigenen Grubenbahnhof, der an die Strecke Düren-Neuss angeschlossen war. Der Verladeplatz war übrigens nicht weit von dem Punkt entfernt, an dem heute die Kohle aus dem Tagebau Hambach abtransportiert wird.

Die Fotos zeigen auch die aufwändige Technik für den Untertagebau. Um das Deckgebirge über dem Stollen beim Aufschluss zu sichern, wurde ein Gefrierverfahren eingesetzt. Die Erde wurde eingefroren, bevor ein neuer Schacht aufgeschlossen und dann mit Streben abgestützt wurde. Dazu war eine riesige Kühlanlage mit einer unterirdischen Verteilanlage erforderlich.

Doch noch in der ersten Hälfte der 50er Jahre ging das Experiment zu Ende. Die Ingenieure hatten zwar bewiesen, dass Braunkohle auch unter Tage abgebaut werden kann. Längst aber lagen Pläne auf dem Tisch, die Kohle aus großen, offenen Gruben zu fördern. Und das mit wesentlich geringeren Kosten.

Die Geschichte, die der Bildband dokumentiert, erstreckt sich vom Aufschluss der ersten Tagebaue bei Eschweiler um 1820 bis hin zur ersten Kohleförderung im Tagebau Hambach und den damit verbundenen Veränderungen. Auch im West-Revier mussten 6000 Menschen ihre Dörfer verlassen und umsiedeln. Und der Aufschluss des Tagebaus Hambach war erstmals in der Geschichte von großen Protesten begleitet.

Fesselnd sind nicht nur die Fotos der Industrieanlagen, sondern auch die zahlreichen Aufnahmen aus dem Arbeitsalltag, aus Tagebauen, Werkstätten und Büros, die Manfred Coenen, Archivar bei RWE Power, entdeckt hat. Knappe Texte und Bilder von Betriebsausflügen und Barbara-Feiern vermitteln die eigenständige Kultur der Braunköhler im Revier. Der Bildband ist im Erfurter Sutton Verlag in der Reihe Arbeitswelten erschienen und kostet 17,90 Euro.


(KStA)