1. Einleitung :
Der Flecken Delligsen stellt heute mit etwa 4000 Einwohnern ein wichtiges Unterzentrum für die Region zwischen Alfeld und Einbeck dar. Dank seiner günstigen Verkehrslage an einem der wenigen natürlichen Durchlässe durch die Bergkette des Selters diente dieser Ort schon früh als Ausgangspunkt zur Erschliessung der waldreichen Höhenzüge des Hilses. So wurde von Delligsen ausgehend bereits 1741 die heute noch florierende Glashütte "Auf dem Grünen Plane" - dem heutigen Grünenplan - gegründet. Von grosser wirtschaftlicher Wichtigkeit für Delligsen selbst war über fast 250 Jahre hinweg die frühere Eisenhütte und spätere Formgiesserei der Friedrich - Carls - Hütte mit zeitweilig bis zu 1500 Beschäftigten.
2. Geologie, Bergbau:
Diese Eisenerze finden sich besonders im mittleren Abschnitt des Hilssandsteins; einem wenig verfestigten unterkreidezeitlichen Sandstein, in dem mehrere bis zu 1 Meter mächtige Flöze karbonatisch - oxidischen Eisenerzes auftreten. Das Hautpflöz setzt sich vornehmlich aus konzentrisch schaligen Aggregaten unterschiedlicher Grösse zusammen, die aus teilweise oxydiertem, sandigem Eisenkarbonat bestehen. Unter Lufteinfluss wandelt sich das Karbonat rasch in Eisenhydroxide der Limonitgruppe um. Auch im liegenden Teil des Hilssandsteines, der deutlich stärker verfestigt ist, kommen Eisenkarbonatanreicherungen vor - hier in Form mehrerer Meter grosser rundlicher Körper mit scharf ausgeprägter Grenze gegen das sandige Nebengestein.
Die Verteilung der Eisenerzaggregate in dem Flöz ist unterschiedlich und häufig sehr absätzig. Der Eisengehalt der Fördererze beträgt nach Untersuchungen des ehemaligen Institutes für Lagerstättenkunde in Clausthal ( BUSCHENDORF 1937 ) durchschnittlich 30 Prozent. Offenbar liess sich dieses Erz trotz seines hohen Kieselsäuregehaltes gut verschmelzen, da aus der Betriebszeit der Carlshütte verschiedene Berichte vorliegen, die die Qualität des Gussstahles rühmen.
Die zahlreichen Halden, die sich entlang des sädwestlichen Birkholzhanges hinziehen, weisen auf einen seinerzeit bedeutenden Abbaubetrieb in diesem Gebiet hin. Tatsächlich zeigen die noch erhaltenen Grubenrisse eine fast flächendeckende Gewinnung des Hauptflözes über 3500 m (!) streichender Länge und etwa 500 m Breite, wobei der Abbau bis hinab zur Talsohle erfolgte. Dieser bewegte sich entsprechend den mit knapp 20 Grad flach einfallenden Schichten recht nah unter der Oberfläche. Eine Gesteinsüberdeckung von maximal 20 - 30 m Mächtigkeit kann hier angenommen werden.
Die Eisenerzgewinnung erfolgte praktisch seit Beginn der regelmässigen Förderung um 1730 als Stollenbau. Ein erhaltenes Dokument aus dem Jahr 1733 gibt hierüber Aufschluss. Der Vizeberghauptmann HOYM aus Clausthal rät hier, den Schachtbau wegen des teuren Holzausbaus zugunsten des Stollenbaus einzuschränken, um so Grubenholz zu sparen und den Waldbestand im Bergbaugebiet zu schonen. Wegen der guten Standfestigkeit des Nebengesteins sei der Stollenbau fast ohne Holzausbau möglich. An diesen Rat hielt man sich im wesentlichen bis zum Ende des Bergwerksbetriebes. So lassen sich nur wenige Schächte im Bereich des Drachenhohles und des Gelben Wassers im Gelände nachweisen; bei den meisten Halden finden sich dagegen noch heute die typischen in den Berg hinein fährenden langgestreckten Stollenpingen.
Bei den Vorrichtungsarbeiten im Berg wurden im Abstand von jeweils etwa 15 Höhenmetern im Streichen des Flözes Förderstrecken aufgefahren, die eine Höhe von durchschnittlich 1.60 m besassen Jede dieser Grundstrecken war durch einen oder zwei im Profil rund 2 x 2 m messenden Tagesstollen zu erreichen. Zwischen den Förderstrecken befinden sich im regelmässigen Abstand von etwa 15 m Abbaustrecken in Form geneigter enger Kriechstrecken, die bis zur jeweils nächsten Sohle hochgetrieben wurden. Hierbei wurden die angetroffenen Eisenerzlinsen abgebaut und nach den Seiten hin verfolgt. Das Gewinnungsverfahren und die geologischen Verhältnisse sind in Abb. 2 schematisch wiedergegeben.
Prinzipskizze des Eisenerzbergbaus zwischen Delligsen und Grünenplan, Hils, Leinebergland, Niedersachsen
Insgesamt wurden im Laufe der Jahrzehnte etwa 50 Stollen in den Berg getrieben, wobei der Hauptförderstollen Nr. 35 bereits im Jahr 1828 etwa 1 Kilometer oberhalb von Delligsen an der nach Grünenplan fährenden Strasse in Betrieb stand. Einen weiteren frühen Abbauschwerpunkt stellte das heute noch befahrbare Tiefe Fuhregger Feldort unweit des Forsthauses Grünenplan dar.
Nach der Privatisierung des zuvor Fürstlich Braunschweigischen Unternehmens im Jahre 1842/1845 konzentrierte sich der Bergbau dagegen auf die nähere Umgebung der Carlshütte bei Delligsen. Zu diesem Zweck wurde gegen Ende des Bergbaubetriebes noch ein neür Hauptförderstollen (Nr. 41) unmittelbar am nordwestlichen Ortsrand von Delligsen aufgefahren.
1896 wurde der Bergbaubetrieb der Carlshütte stillgelegt. Auch der Hüttenbetrieb kam um diese Zeit zum Erliegen, sodass seither die Carlshütte nur als reine Eisengiesserei betrieben wurde. In den Jahren 1914 - 1918 wurden jedoch nochmals - vornehmlich durch französische Kriegsgefangene - im Untertagebetrieb Eisenerze gewonnen. Eine abermalige lagerstättenkundliche Untersuchung der Delligser Eisenerze während des Dritten Reiches führte offenbar zu keinen neürlichen Bergbauaktivitäten.
Im Folgenden soll die Geschichte der Carlshütte und ihres Bergbaus anhand einer chronologischen Zusammenstellung der wichtigsten Ereignisse und Daten wiedergegeben werden.
3. Geschichte der Friedrich - Carls - Hütte und des von ihr betriebenen Eisenerzbergbaus
Nach mehreren amtlichen Besichtigungen und Befahrungen der Bergräte IMHOFF und BERKELMANN aus Clausthal im Mai 173O und des Vizeberghauptmannes HOYM im April 1733 wird der sofortige Bau einer Eisenhütte endgültig angeordnet. Man geht noch im selben Jahr ans Werk und errichtet von 1733 bis 1735 die neün Betriebseinrichtungen knapp unterhalb von Delligsen am Ufer des Wispebaches. Die Baukosten für sämtliche übertägigen Anlagen belaufen sich dabei auf 22145 Taler. Erste Probegüsse des fertiggestellten Hochofens finden noch 1735 statt und werden durch erhaltene Herdplatten im Heimatmuseum Delligsen dokumentiert.
Die neü Eisenhütte nimmt als Friedrich - Carls - Hütte zu Delligsen ihren Betrieb offiziell am 24.05.1736 auf. Von da an betreibt die Carlshütte über viele Jahrzehnte hinweg einen geregelten Erzabbau und Hüttenbetrieb. Neben den Stollenbetrieben am Birkholz und der Fuhregge wird erstmals 1737 auch ein Bergwerk am Elligser Brink im Ortsbereich Delligsen erwähnt. Auch andere Orte im Umkreis werden in diesem Zeitraum auf bauwürdige Eisenerzvorkommen im Hilssandstein von der Carlshütte untersucht. Im Grubenfeld Elisabethgrube bei Stroit am Südrand der Hilsmulde kommt es dabei auch zu einer kurzzeitigen Förderung von Eisenerz.
1749 gibt der inzwischen zum Berginspektor beförderte FLACHE einen Befahrungsbericht über die Gruben im Elligser Brink und der Fuhregge. Er rühmt die gute Erzqualität und erwähnt die komplizierte Lagerung der Erzflöze. Im Jahr 1768 wird Roheisen erstmals bis nach Bremen geliefert und von dort aus nach Holland verschifft. Im selben Jahr beginnt auch die Gewinnung von Zugschlagkalk für den Hüttenbetrieb im Steinbruch am nahgelegenen Delligser Steinberg. Um diese Zeit zeigt ein im Bestand des Staatsarchives Wolfenbüttel vorhandener Grubenplan im Bereich des Drachenholes bei Grünenplan im Fuhregger Feldesteil bereits 7 Stollen sowie im Streichen der Lagerstätte sich weithin erstreckende Abbaufelder. Aus den überkommenen Unterlagen jener Tage geht auch die grosse Bedeutung des Bergbaus für die damalige Zeit hervor. Es wurden damals nicht weniger als 9 eigenständige Bergreviere zwischen Delligsen und Grünenplan unterschieden, die sich vom Revier Blankeweg nördlich von Grünenplan bis zum Revier Elligser Brink am Röhnberg oberhalb von Delligsen erstrecken. Um den zunehmenden Pulverbedarf in den Gruben zu decken, wird um 1750 in Grünenplan eine eigene Schwarzpulvermühle errichtet, die bis zur die Mitte des letzten Jahrhunderts Bestand hat.
In den kommenden Jahrzehnten findet eine ruhige stetige Entwicklung der Hütte und des Bergbaubetriebes statt. Gusseiserne Platten aus Delligsen erfreün sich in diesen Jahren in Norddeutschland grosser Beliebtheit und werden regelmässig über die Weser nach Bremen verschifft. Ein Grubenriss des Markscheiders HAUSDOERFFER zu Grünenplan aus dem Jahre 1806 weist auf intensiven Abbau in den Bereichen Drachenhohl und Gelbes Wasser hin. Auch die Stollen am Elligser Brink südlich von Delligsen finden sich darin eingezeichnet. Im Jahr 1822 sind im Fuhregger/Birkhölzer Feld und im Bergwerk am Elligser Brink insgesamt 46 Bergleute beschäftigt. Wenige Jahre später wird 1828 der Förderstollen 35 knapp über der Talsohle an der Strasse von Grünenplan nach Delligsen angeschlagen. Er entwickelt sich rasch zur zentralen Stollenanlage des gesamten Eisenerzrevieres, die bis zum Ende des hiesigen Bergbaubetriebes in Betrieb steht.
Am 24.05.1834 feiert die Friedrich - Carls - Hütte ihr 100 jähriges Jubiläum. Es sind zu diesem Zeitpunkt 80 Hütten - und Bergleute beschäftigt. Herdplatten und Kunstguss werden ausser nach Bremen auch regelmässig nach Oldenburg geliefert. In den nachfolgenden Jahren wendet sich die Hütte verstärkt dem Kunstguss auch kompliziertester Gussteile zu. Ein im Turmkopf der Delligser Kirche um 1965 aufgefundener Bericht des damaligen Hütteninspektors REINKING aus dem Jahre 1843 berichtet:
"Momentan seien die Stollen 3, 35, 36, 37 und 38 in Betrieb, der tiefste Bau sei eine Gesenkstrecke unter dem nahe der Talsohle befindlichen Stollen 35.Auch im Bergwerk am Elligser Brink wird gearbeitet. Insgesamt sei der Eisenerzabbau in diesem Jahr eingeschränkt worden, da der Stadtbrand von Hamburg 1842 viel Schrotteisen geliefert habe. Der Hüttenbetrieb floriere trotz des beklagten Holzmangels. Zur Zeit sei ein Hochofen mit einer wöchentlichen Produktion von knapp 200 Zentnern Gusseisen sowie ein Cupolofen in Betrieb. Nebenher gehören zum Werk zwei Hammerwerke, die gut ausgelastet seien.Allgemein wird beklagt, dass der Wohlstand gegenüber früher sehr zugenommen, die Gottesfürchtigkeit dagegen stark abgenommen habe".
Am 17.11.1845 verkauft das Fürstentum Braunschweig die vormals Fürstliche Friedrich - Carls - Hütte an den Bergrat KOCH, der bereits Besitzer der Glashütte in Grünenplan ist. Der Firmenname wird daraufhin in Carlshütte - Delligsen umgewandelt. In der Folgezeit wird zusätzlich zu der im Birkholz nach wie vor rege betriebenen Eisenerzgewinnung vermehrt Roheisen aus England bezogen, so 1845 bereits 1000 Zentner. Um diese Zeit findet der Abbau im benachbarten Feld Elligser Brink sein Ende. Auch die Pulvermühle in Grünenplan wurde zu dieser Zeit stillgelegt.
Durch den Bau der hannoverschen Südbahn durch das Leinetal von 1852 bis 1854 verbessert sich die Frachtsituation der Carlshütte beträchtlich. In den nächsten Jahren wird daher eine Filiale der Carlshütte am neün Bahnhof in Alfeld errichtet. Mit der Ausweitung auf zwei Standorte wendet sich die Carlshütte nun auch neün Aufgabengebieten zu. So werden um 1860 im Auftrag der hannoverschen Regierung Kanonenrohre gegossen. Hauptstandbein der Hütte bleibt jedoch nach wie vor der Kunstguss - typisch für diese Zeit zum Beispiel die Fabrikation gusseiserner Brücken. Hier ist als eines der Hauptwerke die Hamburger Brücke zwischen Binnen- und Aussenalster zu nennen, die zwischen 1865 und 1868 in Delligsen hergestellt wird.
Nach dem Ende des deutsch - französischen Krieges 1871 wird der Familienbetrieb KOCH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die unter der Bezeichnung Eisenwerke Carlshütte AG / Delligsen weiter firmiert. Der Bau einer Wasserkraftturbine für die Carlshütte beginnt 1887. Hierzu wird durch die Bergleute ein etwa 5OO Meter langer Stollen vorgetrieben, der sein wohlerhaltenes Mundloch noch heute unterhalb des Dörshelfes hat. Der Stollen und die Turbinenkammer von 1890 sind nach wie vor im Originalzustand erhalten und befahrbar.
Nach dem Bau der eigenen Turbine kommt es zu einer starken Ausweitung der Produktpalette um zahlreiche Modelle, so Turbinenräder, Schwungscheiben, Schaufelräder und grossformatige Elektrobauteile. Im Zusammenhang mit dem um diese Zeit in Norddeutschland einsetzenden 'Kalirausch' werden auch verstärkt Einrichtungen für Salz- und Kalibergwerke produziert. Einer der bedeutendsten Gussaufträge in der Firmengeschichte der Carlshütte bleibt jedoch der Auftrag zur Ausführung der gesamten Kuppelkonstruktion des Reichstagsgebäudes in Berlin um 1890. Zu dieser Zeit wird auch die Wilhelmshütte bei Bornum, zu der schon seit frühester Zeit enge Beziehungen bestanden, erworben. Aus dem Jahr 1892 stammt eine Aufstellung des gesamten Felderbesitzes der Carlshütte nach übernahme der Wilhemshütte. Sie führt folgende auf Eisenerz verliehene Grubenfelder auf:
- Birkholz/Fuhregge im Hils
- Bakenberger Grubenfelder bei Neükrug - Hahausen/Harz
- Übermasse und Morgenstern bei Salzgitter - Haverlahwiese
- Feld Gittelder Trift bei Gittelde, in dem schon damals mächtige Bleierzgänge bekannt waren - später Westfeld der 1992 stillge- legten Erzgrube Hilfe Gottes bei Bad Grund
- mehrere Grubenfelder im Hilsgebiet, so bei Stroit und Ortshausen
Ausserdem besitzt die Carlshütte zu diesem Zeitpunkt auch das auf Bleierze verliehene Feld Annagrube bei Hoyershausen im Külf. Ein kurz vor 1896 erstelltes Risswerk des Birkholzes und der Fuhregge im Archivbestand des Oberbergamtes in Clausthal - Zellerfeld zeigt ausgedehnte Abbaü im gesamten Höhenzug des Birkholzes und des Bocksberges bis hin nach Grünenplan. Förderung findet zu dieser Zeit nur mehr über den alten Hauptförderstollen 35 sowie durch einen neu aufgefahrenen Stollen (Stollen 41) direkt am nordwestlichen Ortsrand von Delligsen statt. Zusätzlich zu dem eigenen Abbau wird in dieser Zeit auch viel Eisenerz von der Lagerstätte Echte bei Kalefeld bezogen.
Der Hochofen der Carlshütte in Delligsen wird am 21.01.1895 ausgeblasen. Damit endet die Verhüttung der heimischen Erze und der Betrieb der Hütte beschränkt sich von nun an auf einen reinen Giessereibetrieb. Im Jahr darauf wird nach 160 Jahren Betriebsdaür auch der Eisenerzabbau stillgelegt. Zu diesem Zeitpunkt produziert die Carlshütte an ihren drei Standorten in Delligsen, Alfeld und Bornum jährlich 6000 Tonnen Giesserei-produkte und beschäftigt insgesamt über 700 Mitarbeiter.
Die Bemühungen zur Rentabilitätssteigerung durch Stillegung einzelner unwirtschaftlicher Betriebsteile bleiben jedoch insgesamt gesehen unbefriedigend, sodass die Carlshütte nach einer verheerenden überschwemmung der Wispe, welche zu einem mehrwöchigen Betriebsstillstand fährt, am 01.02.1901 Konkurs anmelden muss. Der damalige Direktor OERTEL ermöglicht jedoch die Weiterbeschäftigung von Belegschaftteilen als Braunschweigisch - Hannoversche Maschinenfabrik AG.
Kurz darauf wird die Kleinbahnstrecke Voldagsen - Duingen bis nach Delligsen verlängert. Hierdurch wird der langersehnte bessere Verkehrsanschluss des Werksgeländes der Carlshütte erreicht. Der Giessereibetrieb in Delligsen kann daraufhin nach und nach wieder aufgenommen werden. In Traditionsfolge der alten Carlshütte wird als eigenständiger Betriebsteil 1905 auch die traditionsreiche Delligser Herdfabrik wiederbegründet.
Nach Fusion mit der Bernburger Maschinenfabrik firmiert die Carlshütte unter diesem Titel weiter. Die Verwaltung aller verbliebenen Betriebseinrichtungen wird daraufhin 1907/1908 in Alfeld angesiedelt.
Während des ersten Weltkrieges wird die Eisenerzgewinnung im Birkholz und im Fuhregger Revier unter Einsatz französischer Kriegsgefangener noch einmal kurzzeitig aufgenommen. In diesem Zeitraum werden auch die im Bergwerk verbliebenen gusseisernen "Hammelpfoten" (= Vorläufer der Profilschienen) und Profilschienen weitgehend ausgebaut und als Roheisen vergossen. Im Laufe des Krieges werden im Werk Delligsen vorwiegend Eisenbahnwaggons und Feldküchen gefertigt. Durch die weitgehende Umstellung auf den Waggonbau wird der Firmenname daraufhin 1917 in Maschinen- und Fahrzeugfabriken Alfeld/Delligsen geändert.
Aufgrund des forcierten Eisenbahnbaus und des Abteufens zahlreicher Kalischächte in Norddeutschland nach dem ersten Weltkrieg erfreut sich die Carlshütte von 1919 bis 1929 für ein Jahrzehnt einer guten Auftragslage mit etwa 350 Beschäftigten im Stammwerk in Delligsen.
In den 20er Jahren dieses Jahrhunderts werden die dem Werk verbliebenen Bergbaufelder veräussert oder aufgelöst. Zu diesem Zeitpunkt wird auch das ehemalige Hochofengelände - heute noch als Strassenname kenntlich - als Bauland verkauft und anschliessend mit Wohnhäusern überbaut.
Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise machen auch vor Delligsen nicht Halt und führen 1930 zur Einstellung der Produktion im Delligser Werk. Die Herdfabrik arbeitet zwar zunächst weiter, muss aber zwei Jahre später ebenfalls Konkurs anmelden. Dieses Konkursverfahren erregte in der damaligen Zeit grosses Interesse, da die Gläubiger des Unternehmens auf die Begleichung ihrer Aussenstände weitgehend verzichteten und so eine Weiterbeschäftigung der Arbeiter während einer schwierigen Zeit ermöglicht wurde. Hierzu wurde zunächst die Delligser Carlshütte als Alfelder Maschinen- und Apparatebaugesellschaft 1933 wieder in Betrieb genommen. Diese übernahm dann sogleich pachtweise von den Gläubigern die Herdfabrik Delligsen und sicherte so zunächst die Arbeitsplätze von 90 Beschäftigten. Bis 1938 findet eine Produktion allerdings nur in eingeschränkter Form statt.
Anlässlich des 2OO - jährigen Bestehens der Carlshütte am 24.05.1935 wird eine Festschrift (UNGER 1935) mit der Firmengeschichte der Carslhütte herausgegeben, der zahlreiche weitere Daten zu entnehmen sind.
Mit den einsetzenden Autarkiebestrebungen des Dritten Reiches werden ab 1936 auch die Eisenerze des Hilssandsteines wieder interessant. Prospektionsarbeiten des Institutes für Lagerstättenkunde der Bergakademie Clausthal im Auftrag der Reichsregierung finden unter Leitung von Prof. BUSCHENDORF in den Jahren 1937 und 1938 statt. Hierbei werden verschiedene alte Stollen - so auch der Hauptstollen No. 35 - wieder aufgewältigt und Erzproben analysiert, aus denen ein gewinnbarer Eisenerzvorrat von 6 Mio Tonnen mit einem Eisengehalt von 3O % berechnet wird. Das gesamte Streckennetz wird hierbei in einem ausserordentlich gut erhaltenen Zustand vorgefunden. Zu einer Wiederaufnahme des Bergbaubetriebes kommt es jedoch in der Folgezeit nicht.
Am 16.03.1938 findet eines der bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte der Carlshütte statt. Die Eisengiesserei August Engels in Velbert /Niederbergisches Land übernimmt die Restanlagen der Carlshütte mit den inzwischen verfallenen Giessereianlagen. Durch die Lieferung fertiger Anlagenteile und deren zügiger Installation wird eine rasche Wiederinbetriebnahme der Giesserei ermöglicht, sodass bereits am 07.07.1938 der erste Probeguss stattfinden kann. Neür Name des Unternehmens wird "Firma August Engels - Delligsen". In den Folgemonaten kann dank der grosszügigen Investitionen eine rasche Produktionsausweitung erfolgen.
Diese besteht neben der zivilen Produktion zunehmend auch aus der Fertigung von Rüstungsprodukten. Hier ist besonders die Fertigung von Panzerketten und Granaten zu nennen, die am Standort Delligsen in grossem Stile betrieben wird. Während der Kriegsjahre siedelt sich als weiteres Rästungsunternehmen auf dem Hüttengelände ein Tochterunternehmen der Drägerwerke / Lübeck an, dass hier Gasmasken, Luftfilter und U - Bootteile produziert.
Die nun als August Engelswerke bekannte Carlshütte beschäftigt am 1.10.44 über 1200, später sogar bis zu 1500 Werksangehörige, davon ein Grossteil Fremd- und Zwangsarbeiter. Hergestellt wird vor allem Grau-, Temper- und Stahlguss, von dem ein Grossteil der Rüstungsproduktion dient. Gegen Kriegsende stehen in Delligser Werk für die damalige Zeit hochmoderne Gussanlagen zur Verfägung, die zudem praktisch unzerstört bleiben.
Unmittelbar nach dem Kriegsende werden die Magazine und Archive des Werkes von den Zwangsarbeitern geplündert und die verbliebenen älteren Unterlagen weitgehend vernichtet. Entsprechend den Demontageforderungen der Alliierten werden Teile der Werkanlagen wie Elektroöfen und Temperei 1947 demontiert und ins Ausland verbracht. Im Anschluss an die Demontag wird jedoch unverzäglich mit der Instandsetzung und dem Wiederaufbau der Werksanlagen der Carlshütte begonnen. Auch die Herdfabrik nimmt ihren Betrieb wieder auf und produziert in den unmittelbar auf den Krieg folgenden Jahren mit bis zu 230 Mitarbeitern Herde und Oefen. 1958 wird dieses traditionsreiche Werk jedoch endgültig stillgelegt.
Im April 1955 wird im Zuge einer gesellschaftlichen Neuordnung die Carlshütte aus den Velberter August - Engels Werken ausgegliedert. Sie firmiert unter neür Geschäftsführung weiter als Eisen-, Stahl- und Armaturenwerk Friedrich - Carl - Hütte Delligsen.
Während der nächsten beiden Jahrzehnte ist die Geschichte der Carlshütte durch mehrfache Besitzerwechsel und durch Betriebsstillstände gekennzeichnet. Um 1972 investiert die nun "Friedrich - Carl - Hütte GmbH Stahl- und Eisengiesserei, Maschinenfabrik" genannte Firma nochmals grosszägig in Neubaumassnahmen. Die Carlshütte gewinnt hierdurch ihr bis in die jüngste zeit hineien bestehendes Ausssehen mit der ortsprägenden grossen "Blaün Halle", die im November 1972 eingeweiht wird.
Die Carlshütte in Delligsen geht 1984 als "FCH - Friedrich - Carl - Hütte GmbH Stahlgiesserei" nach genau 250 Jahren Firmengeschichte - diesmal endgültig - in Konkurs. Der Maschinenbestand und die Werkseinrichtungen werden im Laufe des Konkursverfahrens vollständig verkauft oder versteigert, so dass eine Wiederinbetriebnahme der Anlagen durch Nachfolgefirmen für die Zukunft praktisch ausgeschlossen wird. Verschiedene Pläne, das vollkommen ausgeschlachtete, grosse Werksgebäude anderweitig zu nutzen, scheitern in der Folgezeit. Im Sommer 1996 werden die noch stehenden Gebäude einschlieálich der vor sich hin rottenden Blaün Halle abgerissen und das Gelände für die Wiedernutzung als Gewerbegebiet vorbereitet.
4. Heutiger Zustand des Hütten- und Bergbaugeländes:
Die Bergbauanlagen sind heute übertägig bis auf die vielerorts auffälligen Halden weitgehend beseitigt, die Stolleneingänge fast ausnahmlos verfallen oder verfüllt. Berichte über Befahrungen aus den 60er und 80er Jahren weisen jedoch daraufhin, dass die ausgedehnten Stollensysteme überwiegend gut erhalten sind. Auch eigene Erkundungen in dem als Fledermausquartier hergerichteten Tiefen Fuhregger Feldort bei Grünenplan zeigen, dass sich seit den Tagen des Alten Mannes hier wenig verändert hat.
Übertage jedoch bleibt ausser spärlichen Resten - wie in vielen anderen ehemaligen Industrierevieren auch - nur die Erinnerung als Zeugnis ehemals reger montaner Geschäftigkeit.
5. Literatur:
Buschendorf: (1938): Vorbericht über die vom Institut für Lagerstättenkunde an der Bergakademie Clausthal ausgeführten montangeologischen Untersuchungen in der Hilsmulde unveröffentlicht, Clausthal - Zellerfeld 1937
CREYDT, D. & MEYER, A (1994): Zwangsarbeit für die "Wunderwaffen" in Südniedersachsen 1943 - 1945, Bd. 2: August - Engels - Werke, Deutsche Spiegel- glas AG etc. - Steinweg - Verlag, Braunschweig
Falke, J.F. (1749): Eine Reise zu der Carlshütte im Jahre 1749; in : REUTER (1950)
Heise, F. (1992): Private Archivaufzeichnungen Delligsen, 1992
v.Könen, A. (1906): Erläuterungen zur geologischen Karte von Preussen, Blatt 4024 Alfeld, Berlin 1906
Krassmann, Th. (1987): Geologische Teilkartierung der Blätter Alfeld und Gronau, unveröffentlichte Diplomarbeit, Institut und Museum für Geologie und Paläontologie, Göttingen 1987
Krassmann, Th. (1992): Vorrecherche zu potentiellen Rüstungs- altlasten im Raum Grünenplan - Delligsen, unveröffentlichte Recherche des Ingenieurbäros AEW - Plan / Hannover im Auftrag des Niedersächischen Umweltministeriums, Hannover 1992
Rathmes, U. (1991): Persönlicher Nachlass, Warzen 1991
Reinking (1843): Herzogliche Carlshütte, Bemerkungen zu ihrem Entstehen und Bestehen Schriftstück, 1965 beim Umbau der Kirche zu Delligsen aufgefunden
Reuter, R. (1950): 1100 Jahre Delligsen: Geschichte der Hilsmulde und des Ortes Delligsen mit besonderer Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung C.F. - Hertel Verlag, Gandersheim 1950
Unger, R. (1935): 200 Jahre Geschichte der Carlshütte Delligsen, Werkschronik Delligsen 1935
Unveröffentlichte Unterlagen und Akten des Oberbergamtes Clausthal - Zellerfeld und des Staatsarchives Wolfenbüttel