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17. November 2004 - In knapp zwei Sekunden kracht der Turm zu Boden


Wahrzeichen des Kali- und Salz-Werkes Diekholzen gesprengt / 16 Ladungen reißen Stahlriesen vom Sockel

Diekholzen (ara). Ein ohrenbetäubender Knall: Mit einem Schlag ist gestern eine hundertjährige Geschichte zu Ende gegangen. Ein Kilo Sprengstoff fällte den Förderturm der ehemaligen Bergwerksanlage in Diekholzen. In weniger als zwei Sekunden sackte das Wahrzeichen des Kali- und Salz-Werkes zusammen. 150 Tonnen Stahl stürzten zu Boden. Mehr als 100 Schaulustige beklatschten das Spektakel.

Schon eine gute halbe Stunde vor der Sprengung sind sie da. Viele Diekholzener wollen unbedingt sehen, wie der eiserne Riese zu Boden geht. Manche haben Fotoapparate oder Videokameras mitgebracht. Alle fiebern dem Moment der Sprengung entgegen.

Auch der 67-jährige Joachim Behling steht im Nieselregen am Waldrand. Der ehemalige Bergmann hat den 63 Meter hohen Turm fest im Blick. Wenn er ihn sieht, denkt er an all die Jahre im Werk, die Schufterei derBergleute, die zu den Hochzeiten des K+S-Werkes in den 50er Jahren im Diekholzener Wald arbeiteten. Tonne um Tonne Kali aus der Erde holten, das zum Düngen oder auch als Streumittel bei Eisglätte gebraucht wurde. "Es tut schon weh, wenn man jetzt diese Sprengung mit ansieht. Wirklich schlimm", seufzt Behling. Er ist Vorsitzender des Bergmannsvereins "Hildesia". Für dessen 100 Mitglieder ist dieser graue November-Mittwoch kein guter Tag.

Pünktlich um 14 Uhr soll der Koloss fallen. Ein erster Hupton. Das Signal, dass die Sprengung kurz bevorsteht. Ein paar Minuten später der nächste. Dann ein trockener Knall. Die Schaulustigen zucken zusammen. Manche ducken sich erschrocken. 16 präzise platzierte "Schneid-Sprengladungen" zersägen in diesem Augenblick den Turm. Gerade mal ein Kilo US-Sprengstoff "Linear Cutter" schickt den Koloss mühelos zu Boden. Der kracht in sich zusammen. Zurück bleiben nur noch rauchende Trümmer.

Die Zuschauer sind begeistert. Plaudern aufgeregt durcheinander. "Kann man das nochmal zurückspulen? Ich hab` davon kein Foto gemacht!", ruft einer. Gelächter ringsum. In Windeseile zerstreuen sich die Leute. Momente später kehrt wieder Ruhe am Waldrand ein.

Zufrieden steht auch K+S-Werkschef Klaus Rumphorst in der Nähe. Das Sprengunternehmen aus Thüringen hat ganze Arbeit geleistet, den mächtigen Förderturm genau wie es geplant war einstürzen zu lassen. Dafür war Sprengmeister Günter Franke verantwortlich. Er hat den Knopf gedrückt und die Sprengung ausgelöst. 302 deutsche Schornsteine hat er inzwischen schon matt gesetzt. Fördertürme hat er nicht gezählt. "Die Sprengung in Diekholzen war nicht so schwer", sagt der Fachmann, der seit fast 20 Jahren im Geschäft ist. Kreuz und quer fährt er mit seinem fünfköpfigen Team durch Deutschland und legt die Riesen auf Fabriksgeländen und Werksanlagen um.

Dem Turm in Diekholzen rückten die Thüringer erstmal mit Schneidbrennern zu Leibe. "So haben wir ihn vorgeschwächt", erklärt der Experte. "Damit der Turm nach der Sprengung wie vorgesehen zusammenbricht."

Die zerfetzten Überreste des Turms liegen auf dem regennassen Boden. Ringsum ist die betagte Anlage schon demontiert. Die Gebäude sind abgetragen. Ein paar Anwohner haben sich indes an die Stelle der Sprengung gewagt. Neugierige, die den gewaltigen Trümmerhaufen bestaunen. An die 200 Tonnen Schrott. Der wird wohl bald in China wieder verwertet. Das ist den Diekholzener Jungs, die über das Gelände schlendern, piepegal. "Die Sprengung war geil", kräht einer von ihnen.

(c) Archiv Hildesheimer Allgemeine Zeitung

 

 

Foto 1, 3, 4, 5: Andreas Faulwasser; Foto 2, 6, 7, 8: Achim Eberhardt