(Veröffentlicht in BERGBAU 9/94)
Allgemein bekannt ist, dass in den alten Bergbaurevieren (die sich ja auch oft in den Bergen befanden) das Wasser als Hauptenergielieferant eine große Rolle spielte. Um das Wasser in ausreichender Menge auch möglichst dort zu haben, wo es als Antriebskraft für Wasserräder, Pumpen, Pochwerke etc. benötigt wurde, musste ein umfangreiches Leitungs- und Speichersystem, oder genauer Graben- und Teichsystem, angelegt werden. Das war im Erzgebirge genauso, wie beispielsweise im Harz. Eigentlich war es dann auch nahe liegend, dass zum Teil solche Wasserläufe auch zum Transport von Erzen genutzt wurden, wie es auch tatsächlich sowohl untertage (z. B. Tiefe Wasserstrecke im Oberharzer Revier) [1] als auch übertage geschah. Problematisch wurde es jedoch, wenn die Hauptförderrichtung talaufwärts ging. Solch ein Beispiel soll hier kurz geschildert werden, unter anderem auch deshalb, weil hier das erste Schiffshebewerk der Welt gebaut worden ist.
Eines der reichsten Bergwerke im Freiberger Revier ab etwa Anfang des 18. Jahrhunderts war die Grube „Churprinz Friedrich August Erbstollen“, kurz „Churprinz“ genannt.
Sie lag am nördlichen unteren Ortsrand des Bergdorfes Großschirma auf dem linken Ufer der Freiberger Mulde (Bild 1).
1 Übersicht über einen Teil des alten Bergbaugebietes nördlich von Freiberg
(nach Wagenbreth & Wächtler, 1986)
Das aus der Grube gewonnene Erz musste zur Hütte nach Halsbrücke befördert werden, die zwar nur ca. 5 km entfernt lag, aber leider in südöstlicher Richtung, das heißt talaufwärts auf dem anderen Ufer der Freiberger Mulde. Der Transport mit Pferdefuhrwerken durch das relativ enge Tal war umständlich und zeitraubend und damit teuer.
Neben diesem Erz-Transport-Problem gab es für die Grube auch ein Energieproblem, das hieß damals, ein Mangel an „Aufschlagswasser“. Die Hauptversorgung mit Aufschlagswasser erfolgte vom Waltersbach. Unterhalb der Ortschaft Kleinwaltersdorf begann der Obere Churprinz Kunstgraben, der auch noch einen Zufluss aus dem Münzbachtal erhielt. Als Speicher wurde am Zusammenfluss der zwei Gräben ein Bergwerksteich angelegt (Bild 2). Doch das Wasser reichte bei größer werdenden Förderteufen, besonders in regenarmen Sommern, längst nicht mehr aus.
2 Die Wasserversorgung der Grube Churprinz um 1830 (nach Wagenbreth & Wächtler, 1986)
Detail siehe Abb.3
Der damals im Freiberger Revier zuständige oberste Bergbeamte für diese Probleme war der Kunstmeister Johann Friedrich Mende . Er entwickelte die sogenannte Untere Churprinzer Wasserversorgung, die an der Blockzeichnung (Bild 3) im Bereich der alten Grube „Churprinz“ dargestellt ist.
3 Leicht schematisiertes Raumbild der Tagesanlagen, Schächte und der Energieversorgung der Grube Churprinz (nach Wagenbreth & Wächtler, 1986)
Etwa an der Stelle der Einmündung des Münzbaches in die Freiberger Mulde (und damit an der Stelle, wo die Alte Meißener Straße die Feiberger Mulde überquert und sich auch die berühmte Altväterbrücke befand), hatte Mende 1788 einen Graben von der Mulde abgezweigt und mit nicht ganz einfachem Verlauf, sogar unter Einbau einiger Schleusen, der Grube Churprinz zugeführt (7-7-7 in Abb. 2). Er legte den Graben so breit an, daß er sowohl vom größeren Querschnitt her, als auch der damit bedingten Wasserfließgeschwindigkeit, zum Transport von Erzen per Kahn von der Grube bis zur Freiberger Mulde benutzt werden konnte.
Da die Hütte in Halsbrücke auf der östlichen Muldeseite und über dem Tale lag, baute Mende bei Rothenfurth ein Kahnhebewerk in das Tal der Freiberger Mulde, das als das älteste Schiffshebewerk in die Technikgeschichte eingegangen ist. In diesem Kahnhebehaus wurden die Erzkähne fast 7 m hoch gehoben. Ein Funktionsschema mit Schilderung des Hebevorgangs erklärt Bild 4; desgleichen zeigt es das ursprüngliche Aussehen und den heutigen Zustand des Kahnhebehauses.
(nach Wagenbreth & Wächtler, 1986)
Das Bild 5 zeigt die Grundmauern, wie sie von einer FDJ-Brigade 1986 wieder hergerichtet und als Technisches Denkmal konderviert worden sind.
Dieser Kanal, einschließlich des Hebehauses, erbaut in den Jahren 1788-1789, von der Halsbrücker Hütte bis zur Grube Churprinz war gut 5 km lang, und der Kahntransport dauerte 4-5 Stunden, dazu kam noch eine weitere Stunde für das Heben und eine weitere für die Fahrt bis zur Hütte.
1791 und 1792 wurde der Kanal in zwei weiteren Etappen bis über Großvoigtsberg hinaus ausgebaut und mit zwei weiteren Kahnhebehäusern versehen, konnte aber aufgrund verschiedener Mängel nie wirtschaftlich betrieben werden (was auch mit daran lag, das sämtliche Arbeiten am Kanal von Bergleuten mit ihrem höheren Lohnniveau durchgeführt wurden).
Bei der Grube Christbescherung in Großvoigtsberg entstand in Verbindung mit dem Kanalbau ein weiteres Kahnhebehaus (das aber wohl nie richtig in Betrieb ging) und dank des zusätzlichen Wasserangebotes durch den Kanal (und größerem Bedarf in der Grube) eine technisch sehr bemerkenswerte Wasserhebeanlage (1787-1789), die als damalige technische Meisterleistung kurz geschildert werden soll.
Wasser aus dem Bergwerkskanal trieb ein unterschlächtiges Wasserrad, das wiederum über ein Kunstgestänge ein Kustgesenk, bestehend aus
2 x 2 parallelen Pumpensätzen und mit je vier übereinander gesetzten Pumpsätzen ein einem extra gebauten Schacht, antrieb. Diese Wasserkunst hob das Kanalwasser immerhin
33 m und speiste es im Oberen Christbescherung-Kunstgraben ein.
Schon gut 30 Jahre nach der Fertigstellung des MENDE schen Kanalsystems, nämlich im Jahre 1822, baute der Nachfolger Mendes, der Maschinendirektor Christian Friedrich Brendel (der auch die erste brauchbare Wassersäulenmaschine im Freiberger Revier baute und 1820 in der Grube „Reicher Bergsegen“ in Erbisdorf installierte) den Kanal in einem etwas höheren Niveau neu (von „Churfürst“ bis Halsbrücke; der Rest verfiel). Durch das Anlegen einer Rösche, „Rösche“ im Erzgebirge bedeutet das gleiche wie „Wasserlauf“ im Harz, nämlich ein unterirdisch geführtes Stück Wassergraben, also ein „Wassertunnel“, der „Rothenfurther Rösche“ konnte der Kanal erheblich verkürzt, Schleusen eingespart und damit die Transportzeiten um rund 1/3 verkürzt werden. Wie der Transport sich abspielte, das ist in Wagenbreth & Wächtler (1986) auf Seite 178 wie folgt beschrieben:
Die etwa 7,75 m langen und bis 1,35 m breiten und 0,7 m hohen Erzkähne wurden in der Nähe des Churprinzer Huthauses in der zum Kunstrad führenden Rösche mit je etwa 2,5 Tonnen aufbereitetem Erz beladen und dann von zwei Mann kanalaufwärts getreidelt, während ein Dritter auf dem Kahn stehend stakte und lenkte. Aus der Rösche am Churprinz heraus und durch die Rösche von Waltersbachtal ins Muldental zog man sich, indem alle drei Mann auf dem Kahn saßen, an einem längs gespannten Seil. An der Altväterbrücke musste die Mulde gequert werden. Dabei wurde von einem Steg aus getreidelt. Nach einer Fahrt auf dem etwa 600 m langen Kanalstück rechts der Mulde gelangte man in den am Kahnhebehaus liegenden „Oberen Wehrteich“, querte diesen, fuhr ins Hebehaus, ließ den Kahn heben und setzte in dem oberen Teil des Bergwerkskanals die Fahrt bis zur Hütte Halsbrücke fort. Die Fahrt vom Churprinz bis zur Halsbrücker Hütte dauerte knapp drei Stunden. (Zitat Ende).[3]
Anzumerken sei noch, das die Kähne von sechs Bergleuten mittels fünffacher Flaschenzüge 7 m hoch gehoben und dann wieder auf das Oberwasser gesetzt wurden. Dieser Vorgang dauerte etwa eine Stunde.
Erst im Jahre 1868 schlug die Todesstunde für diesen- nun wirtschaftlichen- Erztransport. Seit 1844 wurde an dem großen Wasserlösungsstollen des Freiberger Reviers, dem Rothschönberger Stollen, gebaut, der In Freiberg ca. 200 m Teufe unter dem Tiefen Fürstenstollen brachte. Dieser Stollen wurde, ähnlich wie der Ernst-August-Stollen im Harz mit Örtern und Gegenörtern von insgesamt acht Lichtlöchern (=Schächten) vorgetrieben.
In unmittelbarer Nähe des Kahnhebehauses lag das siebte Lichtloch des Rothschönberger Stollens. 1868 wurde ein Großteil des Wassers der Freiberger Mulde zum Betrieb der Maschinen dieses Lichtloches benötigt und der Rest reichte nicht mehr für den Kahntransport. So musste nach etwa 80 Jahren Kanalbetrieb der Erztransport wieder auf die Pferdefuhrwerke zurückverlegt werden.
Verwendete und weiterführende Literatur:
Literatur:
[1] Ruder, J. (Hrsg.) (1989): Der historische Erzbergbau um Freiberg/Sachsen und die Lehrgrube „Alte Elisabeth“. – ca. 100 S., viele Abb.; Führer 25. Exk. RDB.; Hannover
[2] Ruder, H. & Müller, D. (1988): Die Wasserwirtschaft im Oberharzer Bergbau. – bergbau 39, H. 10, S. 462-467 und H. 11, S. 506-511
[3] Wagenbreth, O. & Wächtler, E. (1986): Der Freiberger Bergbau, Technische Denkmale und Geschichte. – 382 S., 315 Abb., Tab.; Leipzig