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Zusammenfassung

Ist radioaktive Strahlung wirklich gefährlich? Eine Frage, die sich wohl viele stellen, doch kaum beantworten können. Es gibt viel Infomaterial, doch erst der Überblick über zahlreiche Quellen zeigt, das sich viel im öffentlichen Verhalten gegenüber Strahlung verändert hat: Strahlung ist nicht gleich Strahlung, man muss sowohl die Dosis unterscheiden, als auch die Strahlungsquelle eindeutig benennen. Man muss chronische Belastungen von einmaligen Belastungen trennen, beide einzeln gewichten, und dann daraus wieder ein aussagekräftiges Bild zusammenfügen. Die Deutsche Uranbergarbeiterstudie zeigt den Weg: Die protokollierten Krankheitsfälle der ehemaligen SDAG Wismut werden aufgearbeitet und mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Biochemie, Physiologie und Pathologie verglichen. Ergebnis sind neue ganzheitliche Erkenntnisse zur Krebsentstehung und weiterführende Forschungsarbeiten, die sich auf die Krankheitsbilder von heute beziehen.
Wichtig für den Leser des Befahrerhandbuchs ist, das er weiss, welche Strahlung und in welche Dosen ihn erwarten, wenn er sich unter Tage begibt.
Dieses Add-on soll das Kapitel zu diesem Thema im Befahrerhandbuch von Georg Leupolt und Maja Hocker vertiefen und die neuesten Erkenntnisse einbringen.

Radioaktivität
Die Bausteine jeglicher Materie sind die Atome, welche wiederum aus den Protonen und Neutronen im Kern, und den Elektronen in der Atomhülle bestehen. Steht die Anzahl der Neutronen und Protonen im Kern in keinem stabilen Verhältnis zueinander, wandelt sich der Kern ohne Einwirkung von aussen, unter Abgabe von ionisierender Strahlung in andere radioaktive Elemente um (um letztendlich ein Stadium eines stabilen Endnukleotids zu erhalten). Diesen Prozess der Kernumwandlung nennt man Radioaktivität [1].

Strahlungsarten
Man unterscheidet drei hauptsächliche Strahlungsarten: die Alphastrahlung, die Betastrahlung, und die Gammastrahlung.
Die Alphastrahlung ist ein energiereicher Helium-Kern, dessen Reichweite sich im Zentimeterbereich bewegt, das Durchdringungsvermögen ist äusserst gering, denn schon ein Blatt Papier wird nicht mehr vom Alphateilchen durchdrungen. Die Eindringtiefe in Gewebe der Haut liegt bei 0,1mm, deshalb wird diese Strahlungsart vom Hautgewebe auch nicht absorbiert.
Betastrahlung (Elektronen oder Positronen) hat eine höhere Reichweite, die im Meterbereich liegt, und wird sowohl in metallische Materialien als auch im menschlichen Gewebe absorbiert.
Die hochenergetische Gammastrahlung (Gamma-Photonen)wird beim Durchdringen von Edelmetallen abgeschwächt (auch beim Durchdringen von Blei), durchdringt das menschliche Gewebe, und wird hier teilweise absorbiert [2,3].

Masseinheiten
Die Messgrösse der Radioaktivität beschreibt die Anzahl der Kernumwandlungen eines Radionukleotids (also eines radioaktiven Kerns) pro Zeiteinheit. Die Einheit dieser Grösse ist das Becquerel (Bq). Abgeleitete Einheiten sind das Bq/g (spezifische Aktivität) und Bq/1 (Aktivitätskonzentration) und erlauben Vergleiche [3].
Möchte man die Wirkung ionisierender Strahlung auf Materie beschreiben, wählt man als Messgrösse die Energiedosis. Sie beschreibt die die Energie, die einem Volumenelement mit einer bestimmten Masse durch die Strahlung zugeführt wird, dividiert durch die Masse der Volumeneinheit. Die Masseinheit ist das Gray (Gy).
Weitere Messgrössen sind die Äquivalentdosis und die Effektive Dosis. Beide berücksichtigen die unterschiedliche biologische Wirksamkeit der Strahlungsart, wobei die Effektive Dosis die Summation der gewichteten Äquivalentdosen für den ganzen Körper darstellt (die Exposition des ganzen Körpers, oder einzelner Organe, ergeben bei gleicher effektiver Dosis das gleiche Strahlenrisiko). Die Äquivalentdosis ist das Produkt aus der Energiedosis und dem gewählten Bewertungsfaktor (je nach Art des biologischen Gewebes, wobei für die Wichtung der Strahlung ein Faktor verwendet wird, der für Beta- und Gammastrahlung 1 ist, für Alphastrahlung 20). Die Masseinheit für beide Dosen ist das Sievert (Sv) [1].
Die Exposition durch Radon und seine Folgeprodukte wird in Working Level Months (WLM) angegeben. 1 Working Level ist jede Kombination von Aktivitätskonzentrationen kurzlebiger Radonfolgeprodukte in 1 Liter Luft, die zur Emission von 1,3 x 105 MeV (Mega-Elektronen-Volt) potentieller Alpha-Energie bei radioaktivem Zerfall führt. Wirkt die Alpha-Energiekonzentration von 1 WL in der Atemluft einen Arbeitsmonat (170 Stunden) lang auf einen Menschen ein, so wird diese Dosis 1 Working Level Month = 1 WLM genannt. Das WLM ist eine Definition aus der neuzeitlichen Forschung zum Thema an strahlungsexponierten Arbeitsplätzen, ist sehr abstrakt in seiner Definition, aber wichtig, um Strahlungsexposition und Zeit miteinander in Beziehung zu setzen [6].
Eine weitere wichtige Masseinheit ist die Energie der Strahlung. Zur Berechnung von masselosen Quanten nutzt man die Formel E = h * f, wobei h das Planck`sche Wirkungsquantum ist, und eine Naturkonstante darstellt, und f die Frequenz des Quants.
Gammastrahlung ist also eine hochenergetische und ionisierende Strahlung, weil seine Frequenz f eine Million mal höher ist, als die des sichtbaren Lichts.

Ein Beispiel für WLM einzelner Wismut-Objekte:

Wie man deutlich erkennen kann, wurde die Belastung der Bergleute mit Radon durch Einführung der Nassbohrtechnik und leistungsfähige Bewetterungsanlagen nach den so genannten "Wilden Jahren" der SAG Wismut drastisch gesenkt.

Quelle: [6]

Strahlungsexposition
Spricht man von Strahlung, muss man auch zwischen äusserer und innerer Strahlungsexposition unterscheiden. Die äussere Strahlungsexposition entsteht durch die uns umgebende Strahlung (kosmische Strahlung, Zivilisationsbedingte Strahlung durch unsere Mitmenschen, Röntgendiagnostik, etc. …) Man mag es kaum glauben, doch den grössten Teil der Strahlungsexposition erfährt der Mensch in der Röntgendiagnostik mit 1,5 mSv pro Jahr. Die Zivilisationsbedingte Strahlung (ohne die Röntgenstrahlung) macht rund 0,2 mSv pro Jahr aus. Durch Aufenthalt in Gebäuden setzen wir uns einer Dosis von rund 0,5 mSv aus. Die mannigfaltig zusammengesetzte kosmische und terrestrische Strahlung steuern noch einmal insgesamt rund 0,2 mSv dazu.
Das Bundesamt für Strahlenschutz teilt die effektive Äquivalentdosis für die äussere Exposition noch einmal wie folgt prozentual auf: Radon-222 mit 45,8% Anteil,
Radon-220 6,7%, der Anteil der kosmischen Strahlung 15,8%, Kalium-40 13,7%, Strahlung durch Uran/Radium 10%, die Thorium-Zerfallsreihe 7,5%, Rubidium mit 0,4 % [7].
Strahlen unsere Mitmenschen, strahlen wir natürlich auch selbst, das ist der Grund für die innere Strahlenexposition. Diese lässt sich auch nicht vermeiden, denn wer atmet, isst und trinkt, nimmt unweigerlich Strahlung auf. Diese Exposition schlägt noch einmal mit
rund 1,8 mSv zu Buche, die Summe aller Expositionen macht also 4 mSv pro Jahr und Mensch, wohlgemerkt, als Durchschnitt für die gesamte Bevölkerung.
Für natürlich strahlenexponierte Gebiete darf man da noch mal 1 mSv zurechnen, natürlich wieder durchschnittlich für die im Gebiet lebende Bevölkerung [1].


Verbreitung von Strahlung
Die drei Strahlungsarten der Radioaktivität wird man primär überall dort finden, wo Bergbau auf Uran erfolgte. Um zu wissen, wo und wann welche Strahlung auftreten wird, muss man die Zerfallsreihe von Uran-238, Uran-235 und
Thorium-234 kennen (Kalium-40 spielt hier keine wesentliche Rolle, da das unmittelbare Zerfallsprodukt stabil und nicht radioaktiv ist). Uran und Thorium werden unter Freisetzung von Betastrahlung und Gammastrahlung zu Radon-222 zerfallen, welches selbst wiederum zu Polonium-218, Blei- oder Wismut-214, und auch zu Polonium-214 zerfällt, bis es den stabilen Endzustand bei Blei-210 erreicht hat. Das Augenmerk sollte sich auf die Kernladungszahl richten (z.B. 222, 218, 214, 210), denn ein Heliumkern des Alphazerfalls nimmt immer 4 Ladungen mit, jeweils zwei Protonen und zwei Neutronen. Also wenn Polonium-218 zerfällt, entsteht Helium-4 und Blei- bzw. Wismut-214.
Der Alphazerfall ist Vorraussetzung für den Betazerfall, bei dem sich im Kern überzählige Neutronen in jeweils ein Proton (Positron) und ein Elektron umwandeln (das Neutron hat eine grössere Masse als ein Proton, grob liegt sie bei einer Protonenmasse + zwei Elektronenmassen, für die zweite Eletronenmasse entsteht ein Antineutrino, welches aber für diese Betrachtung keine Rolle spielt). Man unterscheidet Beta "-" -Zerfall und Beta "+" - Zerfall, bei letzterem wird statt des neu entstandenen energiereichen Elektrons das Proton in Form des Positrons emittiert.
Gammastrahlen sind reine Energie, welche man auch als Photon oder Quant bezeichnet, und entstehen aus dem Energieüberschuss des zerfallenden Kerns. Wie alle Quanten bzw. Photonen entsteht sie bei der Rückkehr von Elektronen von einem energetisch höheren Niveau auf ein niedrigeres. Da die Atomhüllen radioaktiver Stoffe so immens gross sind, ist die freiwerdende Energie beim Fall eines Elektrons von ganz aussen nach weit innen natürlich viel grösser, als z.B. bei Elementen wie Neon, dessen angeregte Elektronen Quanten in Form von sichtbaren Licht erzeugen, weil Neon wesentlich weniger Elektronenniveaus hat als Uran.
Wichtig ist aus dieser radioaktiven Zerfallsreihe das Radon-222 und das Blei-210, denn Radon liegt als einziges Zwischenprodukt als Gas vor, und ist dem entsprechend mobiler als die anderen Zerfallsprodukte, und Blei stellt das Ende der Zerfallsreihe dar, ist stabil aber sendet weiterhin Gammastrahlen aus.
Daraus ergibt sich folgendes: Beta- und Gammastrahlung findet man nur dort, wo sich das Uran und seine feststofflichen Zerfallsprodukte finden, also im Bergwerk selbst und auf den Halden.
Alphastrahlung wird man hier logischerweise auch finden, aber sie lässt sich auch noch weit entfernt von der Strahlungsquelle finden, denn Radon als Gas ist entsprechend mobiler, und wird mit den Luftströmungen transportiert. Da die Dichte von Radon achtmal höher als die Dichte der Luft ist, sammelt es sich hauptsächlich in tieferen Bereichen von Bergwerken, auf den Sohlen, oder aber auch in Kellern, generell also immer bodennah. Im Bergwerk folgt es als Gas immer der Wetterströmung, wobei seine Mobilität von der Stärke des Wetterstroms abhängig ist, über Tage transportiert die Luft das Radon weiter. Starke Wetterströmungen bewirken eine gleichmässigere Verteilung des Radons mit gleichmässig moderaten Konzentrationen, geringe oder keine Wetterströmungen lassen starke Konzentrationsschwankungen erwarten, mit den höchsten Konzentrationen in den bodennahen Anreicherungsgebieten, bzw. in tieferliegenden Grubenteilen. Ausserhalb von Grubengebäuden, wo beständige Luftströmungen herrschen, verteilt sich das Radon in der Umgebungsluft, die Konzentrationen sind wesentlich geringer.
Radon hat aber auch noch eine weitere Besonderheit bei seiner Verbreitung vorzuweisen. Es bildet samt seiner Zerfallsprodukte radioaktive Aerosole, das heisst, sie binden sich gern an Staubpartikel oder an kleinsten Wassertröpfchen, womit sich ein weiterer Transportweg für das Radon eröffnet.


Quelle: [4]


Der Weg der Strahlung in unseren Körper
Beta- und Gammastrahlung nehmen den direkten Weg, sie dringen durch unsere Haut, und werden früher oder später in unseren Zellen absorbiert, wobei Gammastrahlung so hochenergetisch ist, das sie den Körper meist auch wieder auf der gegenüberliegenden Seite verlässt. Alphastrahlung schleicht sich auf andere Weise in unseren Körper. Indem wir Luft mit Radon inhalieren, nehmen wir die Strahlenquelle in unsere Lungen auf. Da Radon aber eine Halbwertszeit von 3,8 Tagen hat, kann sich jeder selbst denken, dass wir das Radon, das ebenso schnell auch wieder ausgeatmet wird, für uns ungefährlich ist. Anders ist das im Fall der Aerosole: Da unsere Atemwege stets feucht sind, bietet sich dem Staub hier die Möglichkeit, sich samt seines strahlenden Mitfahrers festzusetzen. Setzt sich der Staub in unseren Hauptatemwegen, der Trachea und den Bronchien, ab, liegt die Verweildauer bei gut 30 Tagen [2], bis wir die Staubpartikel letztendlich ausscheiden. Ausscheiden deshalb, weil wir abtransportierten Schleim der Atemwege entweder ausniesen oder unbemerkt mit verschlucken.


Die daraus resultierenden Konsequenzen

Sehr allgemein habe ich oben schon die Ursache der Schneeberger Lungenkrankheit (es gibt wohl so einige Namen dafür) genannt. Weit vor allen anderen Krankheiten zog sich ein Bergarbeiter in Schneeberg diese Krebsform zu (mal abgesehen von zerklopften Fingern und ähnlichen Arbeitsunfällen). Lange Zeit kannte man die Ursache für die Erkrankung nicht. Man vermutete zu hohe Belastungen mit Schwermetallen als den Grund der Krankheit. Heute weiss man mit Sicherheit, dass die radioaktiven Aerosole als Auslöser des Lungenkrebses zu sehen sind, und die Schwermetalle nur in geringem Maße zur Erkrankung beitragen.
Aber was passiert eigentlich in unserem Körper, warum erkrankt der Mensch?
Radioaktive Strahlung wirkt ionisierend, auch auf die Bausteine unseres Körpers. Sie beschädigt Aminosäuren aus denen wir Proteine bilden, die wir zum Leben brauchen. Das stört unseren Körper aber eigentlich nicht, denn er erkennt das fehlerhafte Protein und baut es wieder ab. Strahlung zerstört aber auch schon funktionierende Zellbestandteile, wie z. B. Mitochondrien, die unsere Zellen mit Energie beliefern. Das stört den Körper auch nicht, denn funktioniert eine Zelle nicht mehr, erkennt das die Zelle durch spezielle Kontrollproteine, und zerstört sich selbst, und wird letztendlich durch eine neu gebildete ersetzt. Der Grund dafür, dass sich unser Körper so gut selbst helfen kann, liegt daran, dass unsere Zellen nicht perfekt sind. Täglich muss der Körper mehrere Millionen Mal sich selbst helfen, und erschöpft seine Kapazitäten dennoch nicht. Allein eine Million Mal am Tag stellen unsere Zellen Defekte an der DNS durch körpereigene Sauerstoffradikale fest und reparieren diese. Die DNS, unsere Stamminformation, die in fast jeder Zelle vorkommt, enthält auch kodierende Abschnitte für zu produzierende Proteine, die Defekte erkennen und diese reparieren können (diese Proteine stellen die höchste Instanz der Defektkontrolle dar, so genannte Scavenger-Enzyme). Rein rechnerisch würden täglich mehrere Milliarden Zellen karzinomatös entarten, da jede 10. Zelle einen DNS-Doppelstrang-Bruch erleidet. Die Zelle jedoch repariert durch hochkomplex abgestimmte Faktoren die DNA automechanistisch. Trotzdem entstehen pro Tag 3000 Krebszellen. Diese werden dann durch extrazelluläre Mechanismen verlässlich eliminiert. Die molekularen Schäden durch Radioaktivität liegen um einige 10er-Potenzen niedriger, so dass unser Körper diese mit seinen Kontroll- und Abwehrmechanismen leicht beseitigen kann.
Trotzdem liegt hier die Schwachstelle im System: werden diese Abschnitte auf der DNS durch ionisierende Strahlung so verändert (so genannte Hotspot-Mutationen), das die produzierten Proteine nicht arbeitsfähig sind, entfällt jegliche Selbstkontrolle der Zelle, sie tritt in das Initialstadium des Krebses ein (die komplexe Struktur der Entartung der Zelle ist an diesem Punkt noch nicht schlüssig geklärt). Wohlgemerkt geht es hier immer noch und auch nur um den durch radioaktive Aerosole ausgelösten Lungenkrebs, denn es gibt auch andere Möglichkeiten der Krebsentstehung, z. B. durch fehlerhafte Zellkommunikation, oder falsch interpretierte Signalübermittlung durch Botenstoffe, und fehlende oder mangelhafte zellübergreifende Kontroll- und Reparaturmechanismen.
Das heisst aber nicht, dass jeder Aerosolpartikel Krebs auslösen kann oder wird. Es ist purer Zufall, wenn die Strahlung auf Anhieb den richtigen Abschnitt auf dem richtigen Chromosom trifft (mal ganz davon abgesehen, das ein und derselbe Abschnitt auf beiden Chromosomen gleichzeitig verändern müsste, da ja jedes Chromosom zweimal pro Zelle vorliegt), oder die Strahlung das Protein verändert, welches eine Kontrollfunktion hat.
Die Funktion unserer Zellen ist so komplex und die Zahl aller beteiligten Stoffe, Enzyme, Proteine, oder allgemein der Moleküle, das es wirklich nicht einfach ist, dies hier zum einen zu beschreiben, und zum anderen für die Strahlung, eine Zelle dauerhaft zu schädigen. Selbst für Grubenarbeiter der SDAG Wismut gibt man eine Zeitspanne vom Eindringen radioaktiver Aerosole in die Lunge und einer daraus resultierenden Krebserkrankung von zwischen 30 und 45 Jahren an. [2]. Erkennbar aber ist ein Zusammenhang zwischen Grösse der Exposition, also der in der Lunge angereicherten Aerosolcluster, und dem Entstehen der Krankheit.
Das oben angeführte Beispiel sollte einen Einblick in die Wirkung von Strahlung auf unseren Körper geben. Dabei sollte der geneigte Leser aber nicht vergessen, daß man niemals immer nur einer Gefahrenquelle für Krebs ausgesetzt ist. Denn auch Rauchen, welches die Lunge massiv belastet, übermässiger Genuss von Alkohol, der unser Immunsystem schwächt, und Stäube, die wir immer und überall mit einatmen, stellen zusätzliche Faktoren da, die mitbestimmen, ob überhaupt und wann Krebs entstehen kann. Um das Bild abzurunden, hier noch weitere kanzerogene Stoffe, deren Wirkung auch nachgewiesen wurde: Nickel, Chrom, Asbest, Arsen, Quarz, Vinylchlorid, Benzol, Blei-210. Eine vererbte Veranlagung zum Krankheitsbild Krebs kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden [8].


Der Bergarbeiter und die Radioaktivität
Bergarbeiter in Schneeberg arbeiteten unter schwierigsten Bedingungen, ohne sich bewusst zu sein, welcher Gefahr sie ausgesetzt waren. Ungenügende Bewetterung (schon früh wurde von AGRICOLA eine bessere Bewetterung befürwortet), das Unwissen um die Wirkung von Uran, Staub- und Uranstaubhaltige Luft, und zu lange Schichten liessen sie wesentlich schneller erkranken, als die Bergleute in unserem Jahrhundert. Grob geschätzt lag die Latenzzeit, also die Zeit zwischen dem Kontakt mit der Ursache und der draus resultierenden Erkrankung, bei ihnen zwischen 10 und 20 Jahren. Sie waren allen Strahlungsarten und den Stäuben vollkommen ungeschützt ausgesetzt, und das über mehr als 500 Jahren, rund 150 Generationen lang. Erst mit der Entdeckung der Radioaktivität und seiner Wirkung durch Pierre Curie wurde den Menschen bewusst, das Uran eventuell gefährlich sein könnte (er trug damals ein Glasröhrchen mit Uran 24 Stunden an seinem Arm und beobachtete die Veränderungen auf seiner Haut).
Das es aber auch in seiner Urform als Uran im Bergwerk schon gefährlich ist, stellte sich in unserem Jahrhundert immer deutlicher heraus. Doch zunächst hatte dies kaum eine Wirkung auf die Arbeitsbedingungen der Bergleute. Die Trockenbohrtechnik und die ungenügende Bewetterung setzten die Bergleute einem hohen Risiko aus, Vortrieb und der Abbau des Urans waren wichtiger als die Rücksicht auf eventuelle gesundheitliche Konsequenzen bei den Bergleuten. Wirklich Fortschritte wurden erst erzielt, als man die Trockenbohrtechnik durch die Nassbohrtechnik ersetzte und leistungsfähige Bewetterungssysteme zum Einsatz brachte. Allerdings setzte die SDAG Wismut bis in die 60er Jahre weiter auf die Trockenbohrtechnik, denn damit waren weit höhere Vortriebszahlen zu erreichen (zum Vergleich: ein Bergarbeiter der SAG Wismut war Anfang der 50er einer Strahlenbelastung von 30 bis 300mSv ausgesetzt, später sorgte man dafür, das diese Belastungen auf rund 10mSv sanken).
Wichtigstes Kriterium der Beurteilung der Strahlenbelastung des Bergarbeiters blieb immer die Radonbelastung, denn das hatte man schon früh im letzten Jahrhundert erkannt: Die Hauptgefahr für die Bergarbeiter geht von Strahlungsquellen in der Lunge aus.
Ausgehend von Betrachtungen, die Anfang des letzten Jahrhunderts zu Radon-Emanationen in Bergwerken gemacht worden, verfasste man zur Zeit der exzessiven Urangewinnung während des kalten Krieges ein Strahlenschutzparadigma:

- für Strahlenwirkung gibt es keine Schwelle und deshalb kann jede, noch so kleine Strahlendosis zu Gesundheitsschäden führen
- die Effekte steigen linear mit der Dosis
- auch geringe Strahlendosen können ihre schädliche Wirkung lebenslang akkumulieren

Diese Vorstellungen gingen unverändert und kritiklos in internationales Schrifttum ein und beherrschen seither Philosophie und Praxis des Strahlenschutzes. Wie sich anhand von aktuellen Studien belegen lässt, wäre Kritik damals schon angebracht gewesen [1,2], denn diese Hypothese zum Strahlenschutz war nie wissenschaftlich fundiert. Quelle [5] beweist an einer der grössten Studien zum Thema Radon-Emanation an über 90% der US-amerikanischen Bevölkerung (immerhin ist die USA der grösste Uranförderer der Welt!), das das Lungenkrebsrisiko bei niedrigen und mittleren Energiedosen durch Alphastrahlung nicht etwa steigt, sondern fällt!
Offensichtlich stimmt das Strahlenschutzparadigma nur für sehr hohe Expositionen von Radon und seinen Isotopen, nicht aber für normale Dosen, denen sich unser Körper im Laufe der Evolution optimal angepasst hat [4].


Strahlenmessung beim Trockenbohren [6]


Luftbefeuchtung zur Staubbekämpfung bei der Verladung [6]

Fakten aus der Deutschen Uranbergarbeiterstudie
Nach der politischen Umstrukturierung der ehemaligen DDR wurden auch die Archive der SDAG Wismut zugängig. Das Interesse von Medizinern und Strahlenschutzkommission lag natürlich in den gesammelten Erfahrungen (und Akten) zum Thema Strahlenbelastungen bei Niedrigemissionen und deren Aufarbeitung zur Modifizierung geltender Strahlenschutzbestimmungen. 10 Jahre wühlten sie sich bisher durch 300 000 Akten der medizinischen Archive der SDAG Wismut, werteten aus, verglichen, und sammelten Ergebnisse. Bis die wohl endgültige Fassung ihrer Arbeit vorliegt, werden noch einige Jahre vergehen. Fakt ist, das von rund 400 000 Beschäftigten, gut 6 000 an Karzinomen der Atemwege erkrankten, wobei davon 70% auf Strahlencluster in der Lunge zurückzuführen sind. Jährlich gibt es bei ehemaligen Bergleuten der SDAG zwischen 200 und 300 Neuerkrankungen.







Die Zahl der Neuerkrankungen bei Bronchialkarzinomen. Deutlich zu erkennen ist die Latenzzeit von rund 30 Jahren, denn viele ehemalige Bergleute erkrankten erst weit nach ihrer aktiven Tätigkeit als Bergmann. Das die Zahlen trotz allem so niedrig sind, liegt an der grossen Zahl der eingesetzten Strafarbeiter und Fremdarbeiter, die medizinisch nie aktenkundlich erfasst wurden [6].


Strahlung und Befahrung
Es lässt sich leicht feststellen, dass ein Befahrer wenig mit dem Bergmann gemein hat, wenn man versucht das Thema Strahlung für beide zu verdeutlichen. Der Bergmann war der Strahlung täglich ausgesetzt, der Befahrer wird sich ihr nur für eine kurze Zeitspanne aussetzen. In den zugängigen fraglichen Grubenbauen der SDAG Wismut wird sich nur noch wenig Uran finden, denn wenn die Wismut eines konnte, dann war es ihre Gründlichkeit bei der Entfernung jeglichen Krümelchens Uran. Mir selbst sind heute nur wenige Gruben bekannt, in denen doch noch Reste der Uranvererzung verblieben sind.
Was erwartet den Befahrer im Bergwerk, wie hoch ist die Radonkonzentration?
Nach [3] liegt die höchste gemessene Energiedosis, die heute in einem Bergwerk im Erzgebirge gemessen wird, bei ca. 250 000 Bq/m³. [3] gibt für eine Radonkonzentration von 1 700 Bq/m³ und Daueraufenthalt eine Lungendosis von 425 mSv/Jahr an. Umgerechnet entspricht dies bei 250 000 Bq/m³ und 10 Stunden Befahrung eine Lungendosis von 71 mSv. Der Grenzwert für die Lungendosis bei beruflich Strahlenexponierten Personen liegt nach der bundesdeutschen Strahlenschutzverordnung bei 150 mSv/Jahr. Unter diesen Umständen dürfte man sich also zwei solcher Befahrungen je Jahr noch ohne Gewissensbisse wegen der Strahlung genehmigen (Anmerkung des Verfassers: mittlerweile wurden die Grenzwerte durch die Strahlenschutzkommission leicht nach oben korrigiert- Stand 1999/2000).
Unter Tage dürften sich selten höhere Konzentrationen einstellen, wenn man sich den Bildungsweg von Radon vergegenwärtigt. Radon entsteht aus dem Zerfall des im Gestein vorliegenden oder in Lösung gegangenen Urans. Es muss zunächst in die Grubenatmosphäre entweichen und sich dort aufgrund der Dichteunterschiede anreichern, wobei bereits zerfallenes Radon wieder auszusortieren wäre. Andererseits muss dazu gesagt werden, dass eine Aktivitäts- Konzentration von 250 000 Bq/m³ einer Radonkonzentration von lediglich 5,9*10-13 Vol-% entspricht, also ein Radonatom auf 42 Millionen Millionen Millionen anderer Atome. Im Vergleich dazu betrug die Exposition eines Abbauhauers durch kurzlebige Radonfolgeprodukte im Wismut-Objekt 09 (Grubenbetrieb Aue) maximal 2 Sv/Jahr beziehungsweise 0,008 mSv/ 10 h (bei 250 Tagen je 10 h) bei aktiver Förderung, das heißt einer großen Emissionsfläche für Radon, und ohne wettertechnische Maßnahmen. Als Maximalwert wird für den BB Schmirchau, eine Belastung durch kurzlebige Radonfolgeprodukte von 3,75 mSv genannt, ein Beispiel für den hohen positiven Einfluss verbesserter Arbeitsbedingungen auf die Strahlenbelastung.
Letztendliche Sicherheit über die stattgefunden Radonbelastung während einer Befahrung erhält man nur durch Mitführen eines Nachweisgerätes (siehe Kapitel 9.1.3 des Befahrerhandbuchs). Insbesondere beim Vordringen in bisher vom Wetterstrom abgeschottete Bereiche oder bei intensiver Befahrungstätigkeit wäre das sicher empfehlenswert.
Die Strahlungsbelastung für den Befahrer liegt also weit unter den empfohlenen Grenzwerten, selbst wenn die Energiedosis in einzelnen Fällen (gemessen 2002 bei ungünstigen Bewetterungsverhältnissen) 300 000 Bq erreicht. Eingeatmete Aerosole sind spätestens nach dreißig Tagen nicht mehr im Körper vorhanden, während ja bei Bergleuten die Belastung durch Aerosole, durch regelmässigen Aufenthalt in exponierten Bereichen immer wieder erneuert wurde. Ausserdem kann man der Fähigkeit des Körpers vertrauen, Schäden rechtzeitig zu beseitigen, auch wenn man sich dieser Fähigkeit nicht unmittelbar bewusst ist.


Literaturangaben:
[1] - Gunter Leichsenring: Analyse prae- und neonatalischer Daten aus dem Zeitraum 1955- 1989 aus dem Landkreis Aue (Dissertation von 2001, vorgelegt an der Uni Magdeburg)

[2] - Petra Vorberg: Untersuchung zur Strahlenexposition bei Uranbergleuten der SAG und SDAG Wismut (Dissertation von 1999, vorgelegt an der FSU Jena)

[3] - Maja Hocker und Georg Leupolt: Das Befahrerhandbuch

[4] - Kaj Todt: unveröffentlicht, Mitschriften aus gehörten Vorlesungen zur Physiologie und Biochemie an der FSU Jena 2000/2001, und angewendet in: Publikation auf www.untertage.com: Radioaktive Mineralien sammeln

[5] - B.L. Cohen: entnommen aus: Atemwegs- und Lungenkrankheiten 26/12 Dez. 2000; Radon- örtliches Risiko (Ennemoser & Huber); Radon-Umweltgift oder Heilmittel?
(Deetjen); Radon-Ein Strahlendes Thema: Daten und Fakten des Pathologen, Deutsche Uranbergarbeiterstudie im Auftrag der SSK, Vorabveröffentlichung
(Wiethege, Wesch, Müller)

[6] - Die Deutsche Uranbegrarbeiterstudie, seit 1991 in Arbeit, Autoren: Wiethege, Wesch, Müller, Et al., im Jahr 2000 Vorabpublikationen zum Thema Bronchialkarzinom, erschienen in: Atemwegs- und Lungenerkrankungen 26/12 Dez. 2000. Quelle: Auf der homepage des Bundesamtes für Strahlenschutz www.bfs.de/info/themen/st0005/st0005.htm

[7] - Bundesamt für Strahlenschutz, Infoblatt Nr. 5, 20.10.1990

[8] - T. Wiethege und K.-M. Müller: Rauchen, Radon, Asbest und Quarz- Morphologie der Kombinationseffekte am Arbeitsplatz. Erschienen Jahrgang 25/6 Juni 1999 in Atemwegs-und Lungenerkrankungen

Weiterführende Literatur: Allgemein möchte ich erschienene Arbeiten des Institutes für Pathologie an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil, Bochum und dem Deutschen Krebsforschungszentrum, Heidelberg empfehlen. Wie schon die Literaturangaben zeigen, setzen sich Wiethege, Müller und Wesch intensiv und in zahlreichen Publikationen mit dem Thema Lungenkrebs und Radon auseinander. Besonderes Augenmerk sollte der Deutschen Uranbergarbeiterstudie gelten, da die Auswertung der durch die Wismut verfügbaren Daten auch für die Zukunft weitere Artikel zum Thema erwarten lassen.

Der Autor
Kaj Todt wurde am 05.07.1976 in Schlema geboren, studierte ab Oktober 1998 in Jena Humanmedizin, studiert seit April 2002 in Göttingen Zahnmedizin. Seit 2000 Mitglied der Grubenarchäologischen Gesellschaft. Hauptaugenmerk seiner Arbeit dort liegt auf dem Kamsdorfer Bergbaurevier, sowie auf dem Bergbau durch die SAG und SDAG Wismut in Sachsen und Thüringen. Bisherige Publikationen: Zum Sammeln radioaktiver Mineralien (Veröffentlichung auf www.untertage.com).