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In diesem und den folgenden Abschnitten sollen Zeichen, Inschriften und Tafeln behandelt werden, die eine Arbeitsleistung im Vortrieb (Gedinge) oder den erreichten Vortrieb zu einem bestimmten Zeitpunkt, zum Beispiel nach einem Quartal oder Jahr, dokumentieren. Derartige Zeichen werden auch als Stufen bezeichnet.
Zu der Thematik gibt es aktuelle und ausführliche, aber derzeit vergriffene Literatur von ST. ADLUNG (1998) über Gedinge- und Vortriebszeichen im sächsischen Erzbergbau. Die Darstellung hier bezieht sich im wesentlichen auf diese Quelle.


1.1. Gedinge und Gedingezeichen

Was sind Gedinge ?

Gedinge stellen eine Form der Registrierung und Bezahlung von Vortriebsleistungen dar. Auch wenn es regional oder im Lauf der Zeit gewisse Unterschiede gab, so ist die grundlegende Bedeutung jedoch konstant geblieben.
Das Wort "Gedinge" ist schon seit langem aus dem gebräuchlichen Wortschatz verschwunden. Etwas länger hatte sich noch das Verb "verdingen" erhalten. Adlung (1998) weist auch auf eine mögliche sprachliche Verwandtschaft zwischen "Ding" und "Thing", der alten rechtssprechenden Versammlung, hin.
Diese Verbindung kann als recht sicher angenommen werden. In mittelalterlichen Schriften und Urkunden finden sich Wörter mit dem Stamm -ding- und einem mit rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang stehenden Sinn vom englischen und skandinavischen bis in den österreichischen Raum. Die Verwendung in verschiedenen Sprachen - neben Alt- und Mitteldeutsch z.B. auch in der in angelsächsisch verfassten Handschrift der Beowulf-Saga aus dem 10. Jahrhundert - belegt eine sehr alte Wurzel.
Das Wort "gedingen" wird im 10. - 15. Jahrhundert verwendet im Sinne von allgemein eine gerichtliche Auseinandersetzung führen, sich an ein Gericht oder eine rechtliche Instanz wenden (auch im religiösen Sinn sich an eine höhere Instanz wenden) oder bei ihr Berufung einlegen, oder allgemein verhandeln bzw. (verbindliche) Abmachungen treffen, sich etwas ausbedingen oder etwas (z.B. ein Lehen) unter bestimmten Voraussetzungen verleihen, etwas (eine Urkunde oder Testament) bezeugen oder auch im religiösen Sinn Hoffnung und Vertrauen auf etwas setzen.

Während im Eigenlehnerbetrieb kein Anlass für die Entlohnung von Vortriebs- oder anderen Leistungen in der Grube bestand, ergab sich mit der Trennung von bauenden und nichtbauenden Gewerken im Bergbau die Notwendigkeit, Arbeitsleistungen zu erfassen und zu entlohnen. Im Erzgebirge ist dieser Prozess im 13. Jahrhundert festzustellen. In direktem Zusammenhang mit dem Gedinge stehen die Zubußzahlungen der nichtbauenden Gewerken. Diese Zahlungen waren notwendig, um der Anteile an den jeweiligen Gruben nicht verlustig zu gehen. Die Gedingestufe, die den jeweiligen erreichten Stand des Vortriebs markiert, wurde durch den Stufenschläger, der als Vorläufer des Berggeschwornen zu betrachten ist, eingehauen.
Gedinge werden schon im Freiberger Bergrecht (A) erwähnt. Gedingezeichen aus dem 12. oder 13. Jahrhundert sind bisher jedoch nicht bekannt geworden.
Etwa im 15. Jahrhundert entwickelte sich das Gedinge als spezielle Form eines Arbeitsvertrages zwischen Hauern und Gewerken. Ein direkter Zusammenhang zu Zubußzahlungen bestand nicht mehr. Diese Entwicklung ist eine Folge der zunehmenden Zentralisierung im sächsischen Bergbau.


G. AGRICOLA (1557) schreibt zum Gedinge:
"Sie [die Geschwornen - T.W.] besähen und betrachten alles in sonderheit und berahtschlagen sich mitt dem steiger / von der hauwung / gezeugen / gebeuwen / unn von allen anderen dingen / die zu dem bergkwerck gehörendt: zun zeiten verdingendt sie mitt sampt dem steiger / den bergkheuwern ettliche lachter eines gangs zu hauwen / umb ein grossen oder kleinen lohn / nach dem das gstein vest oder lindt ist / sampt den gängen. Aber so den selbigen so umb lohn die lachter zu zuhauwen haben angenommen / ein sölche veste des gsteins für kommendt / deren sie nicht verhofft noch versähen haben / unnd von dessen wegen die arbeit harter und langsamer von ihnen vollbracht / so machen sie inen grössere bsoldung / so aber nach der angfangnen arbeit das gstein von wegen des wassers / nicht so vest ist / und die arbeit leichter und geringer gschähen mag / so brechen sie inen etwas vom lohn ab. Ober das so die gschwornen die steiger oder bergkheuwer ob der fahrlässigkeit oder betrug ergriffendt / so ermanendt sie dieselbigen erstmalen / ihres ampts / das sie treulich sollen außrichten / oder schelten sie / darnach wan sie nicht fleissiger noch frömmer worden seindt / so bringendt sie dasselbig für den Bergkmeister / der sie nach seim gwalt ihres ampts entsetzett / oder so sie ein laster begangend in die gefengknuß würfft."

Leider hat AGRICOLA nichts näheres über Gedingezeichen geschrieben oder solche Zeichen abgebildet.


Im Lauf der Zeit wurden immer umfangreichere Vorschriften geschaffen, die das Gedinge regelten. Darin wurden u.a. behandelt, was der Geschworene zu tun hat, Rechte der Gewerken und der Hauer, wie bei sich verändernder Gesteinsbeschaffenheit zu verfahren ist, Fragen der Auszahlung des Gedingegeldes und weiteres. Anpassungen wurden zuweilen durch neue Technologien notwendig. Am Inhalt des Gedinges hat sich jedoch über Jahrhunderte nichts geändert.

ADLUNG (1998) gibt einen Auszug aus einer Resolution von 1709 an, die den Inhalt des Gedinges sehr gut wiedergibt und deshalb nach dieser Quelle hier zitiert werden soll:
"...6. ist das Verdingen auf Gewinn und Verlust bey deren Häuer-Arbeit auf den Zechen mehr einzuführen, worbey denn die Geschwornen ihre Pflicht genau zu beobachten haben, damit sowohl der Gewerckschafft Nachtheil vermieden, als auch der Häuer vorsätzlich nicht beschweret werde. Immassen dahero besagte Geschworne, Beschaffenheit des Gesteins fleißig erforschen, das Geding im Beyseyn des Steigers, alswohl auch nach Gelegenheit des Schichtmeisters, machen, die Stuffen schlagen, auch das Gedinge selbst abnehmen, darüber ein richtiges Geding-Buch halten, in selbiges alles nach denen vorgefallenen Umständen, sonderlich bey der Abnehmung eintragen, auch darbey recht Maaß brauchen sollen. Dergleichen Verdingen nun ist insonderheit bey dem Abteuffen, grober Gängen und Stoll-Oertern, da keine edle Geschicke brechen, dergestallt vorzunehmen, dass einen, zwey oder mehr tüchtige Häuern gewisse Lachter in die Teuffe und Höhe mit Benennung der Zeit und Wochen nach Erkäntniß des Gesteins jedes Mal um ein gewisses Geld aufzugeben, diese auf der geschlagenen Stuffe anzusitzen, vom Schichtmeister wöchentlich das gesetzte Lohn zu empfangen, das übrige Geding-Geld auch, do das Gedinge eher, als das Wochenlohn darauf gehet, heraus geschlagen würde, ohne Vorenthalt zu gewarten, dargegen aber auch, wann es auf die Determinirte Zeit nicht geschiehet, über das Wochen-Lohn nichts weiter, biß das Geding würcklich aufgefahren, zugenüssen haben, darfür sollen die Geschworne noch weiter biß auf Unser Wiederrufen, wie An. 1675 für gut befunden worden, auf allen und jeden Zechen und Stölln von jeglichen Gäng- und Schrähm-Häuer wöchentlich drey Pfennige, als sogenanntes Stuffen-Geld, bekommen, und denen Gewerken in denen Registern verschreiben werden, denen Arbeitern selbst ist aber nicht das geringste deßwegen abzufordern, auch kein Abnahme-Groschen mehr zu passiren, jedesmahl bey Straffe Zehn Gülden, so offte darwieder gehandelt wird, welches Stuffen-Geld denn die Geschworne zusammen in eine Casse bringen und quartaliter zu gleichen Theilen unter sich vertheilen sollen ..."

Sowohl das Gedinge, also der eigentliche Arbeitsvertrag, als auch das Abnehmen des Gedinges und damit verbundene Einschlagen einer Stufe wurden schriftlich festgehalten. Damit erhielten die Bergämter bzw. die Vorläuferinstitutionen einen Überblick über den Vortrieb, speziell auf wichtigen Stollenörtern.

Aufzeichnungen über Gedinge und eingeschlagene Stufen finden sich z.B. in den Quartalsabrechnungen der einzelnen Gruben. In diesen Abrechnungen wurden die Einnahmen, die nach Wochen aufgeschlüsselten Ausgaben, die Eigentümer mit ihren jeweiligen Anteilen (wichtig für die Zubußzahlungen) und zum Teil auch die vorhandenen Werkzeugbestände erfasst. Bei kleinen, unbedeutenden Gruben konnte auch auf eine wöchentliche Aufschlüsselung verzichtet werden.
Zwei Beispiele von derartigen Quartalsabrechnungen aus dem Freiberger Revier sollen hier im Bild vorgestellt werden.


Bild 1.1.01: Quartalsabrechnung der Grube "Segen Gottes", Weißenborn bei Freiberg, Quartal Trinitatis 1599. Deckblatt.

















Bild 1.1.02: Quartalsabrechnung der Grube "Segen Gottes", Weißenborn bei Freiberg, Quartal Trinitatis 1599. 4. und 5. Woche.

















Bild 1.1.03: Quartalsabrechnung der Grube "Segen Gottes", Weißenborn bei Freiberg, Quartal Trinitatis 1599. Hauer wurden durch den Geschworenen verdingt.











Text von Bild 1.1.03:
"Verdingt durch den herrn Geschwornen
½ Lachter 4 hauernn ufm Stollort, in
vier wochen auftzufahrn davon x
alde scho.
H... (?) verdingt ½ Lachter i hauer uf der
Stross, in vier wochen auftzufahrnn
davon iii alde scho. und gehett
uf diese gedinge die Honnde (?)
noch ..... (?) drauff ..
"


Wie die Quartalsabrechnung in der 5. Woche zeigt, haben die Hauer die vereinbarte Strecke aufgefahren und das Gedingegeld erhalten. Der Geschworene hat das Gedinge abgenommen, eine Stufe (= das Gedingezeichen) geschlagen und dafür Stufengeld erhalten.


Bild 1.1.04: Quartalsabrechnung der Grube "Segen Gottes", Weißenborn bei Freiberg, Quartal Trinitatis 1599. Abrechnung des Gedinges.











Text von Bild 1.1.04:
"Gemeine Ausgab,
i f i gen
(*) haben 4 hauer am geding
eröbrigt ufm Stollort, haben in
4. wochen ½ lachter aufgefahren
Lorentz Weicheltt, Caspar Unger,
Simon Korb, Lorentz Weicheltt
xii gen hatt i. hauer am gedinng
eröbrigtt uff der Stross, hatt
in 4. wochen ½ lachter aufge-
fahren, Görge Kirschell,
iiii gen dem herrn Geschwornn
stuffenngeldt,
"


(*) f = Florengroschen, gen = Groschen (1 Florengroschen oder Gulden entspricht 21 Groschen)

Während die Grube "Segen Gottes" regelmäßige Einnahmen verbuchen konnte, wies die Grube "Osterfreude" in Berthelsdorf bei Freiberg in dem Quartal Luciae 1601 keinerlei Einnahmen auf. Eine wöchentliche Aufschlüsselung der Ausgaben findet sich nicht. Es wird lediglich ein Hauer erwähnt, der hier verdingt wurde. Eine Abnahme des Gedinges durch einen Geschwornen ist offenbar nicht erfolgt, da dies eine zusätzliche Ausgabe erfordert hätte.


Bild 1.1.05: Quartalsabrechnung der Grube "Osterfreude", Berthelsdorf bei Freiberg, Quartal Luciae 1601. Abrechnung des Gedinges.











Bild 1.1.06: Quartalsabrechnung der Grube "Osterfreude", Berthelsdorf bei Freiberg, Quartal Luciae 1601. Das Gedinge wird für das komplette Quartal abgerechnet.











Text aus Bild 1.1.06:
" Einnahm 0
Außgab
12 f Lortz Lindtner vonn 4
Lachtern Aufn örtte Zur Handt Aufn
Schacht Aufzufahrnn so ihme
uf gewin undt verlust vordinget
worden.
.......
"



Das hier genannte Gedinge auf Gewinn und Verlust entspricht einem üblichen Gedinge. Erst im 19. Jahrhundert wurde diese Bezeichnung auf eine Sonderform übertragen. Diese Sonderform wurde vor allem auf armen Gängen angesetzt, wo die Unkosten gerade gedeckt wurden. Dabei wurde den Häuern nach Abzug diverser Unkosten alles durch die Erzbezahlung erzielte Geld ausgehändigt. Er bekam jedoch keinen weiteren Lohn. Dieses sehr risikoreiche Gedinge konnte jederzeit durch den Hauer oder die Gewerken gekündigt werden.

Wo finden sich Gedingezeichen?

Da das Gedinge eine Form des Leistungslohns ist, sind Gedingezeichen vorrangig dort anzutreffen, wo es auf schnellen Vortrieb ankam. Das können Entwässerungsstollen oder andere Stollen, z.B. Suchstollen, Auffahrungen vom Mundloch, um einen Gang zu erreichen oder Auffahrungen, um eine zusätzliche Tagesöffnung anzulegen, sein. Auch das Nachreißen erfolgte oft im Gedinge, so dass Gedingezeichen in einem Stollen nicht unbedingt von der Auffahrung stammen müssen.
Zum Teil können heute noch kontinuierliche Folgen von Gedingezeichen und Quartalswinkeln in Strecken beobachtet werden. Solche Abfolgen bieten ideale Möglichkeiten zum Studium der Vortriebsleistungen bzw. Leistungen beim Nachreißen.
Gedingezeichen finden sich nicht nur in wichtigen Anlagen. Auch kleine, unbedeutend erscheinende Gruben können einen unerwarteten Reichtum an verschiedenen Zeichen bieten.

Die Größe der Zeichen kann stark schwanken. Es finden sich sowohl sehr kleine, von nur etwa 3 oder 4 cm Abmessung, bis hin zu mindestens 20 cm großen Zeichen. Die Zeichen erscheinen zum Teil nur leicht eingekratzt, zum Teil sind sie auch sorgfältig und deutlich geschlagen.
Die fotografische Dokumentation kann sich recht schwierig gestalten, da es in engen Stollen nicht immer möglich ist, die Zeichen aus einem günstigen Winkel zu fotografieren (speziell wenn noch Inschriften daneben vorhanden sind) oder da sich die Zeichen nur schwer erkennen oder von den Spuren der Arbeit mit Schlegel und Eisen ("Prunen") unterscheiden lassen.



Literatur:
G. AGRICOLA (1557): Vom Bergkwerck XII Bücher.- Basel, p. 71 (Übersetzung aus dem lat. von Ph. Bechius)
ST. ADLUNG (1998): Gedinge- und Vortriebszeichen im sächsischen Erzbergbau.- Schriftenreihe Akten und Berichte vom sächsischen Bergbau, Heft 7. Jens-Kugler-Verlag Kleinvoigtsberg.


© Thomas Witzke {mospagebreak}


1.2. Formen von Gedingezeichen

Es können zwei grundlegende Typen von Gedingezeichen unterschieden werden, das "Schneeberger Gedinge" und das "Freiberger Gedinge", benannt nach dem vermutlichen Ort der Entstehung. Beide Typen differieren in Form und Verbreitung. Während das Schneeberger Gedinge zeitlich und räumlich eher begrenzt auftritt, hat das Freiberger Gedinge eine zum Teil recht große Verbreitung erfahren. Die Verbreitungsgebiete überschneiden sich zum Teil. Gelegentlich finden sich auch beide Zeichen in einer Grube, allerdings zeitlich nacheinander.


1.2.1. Das Schneeberger Gedinge

Die nach ADLUNG (1998) "Schneeberger Gedingezeichen" genannte Stufe hat die Form eines "Mercedes"-Sterns. Dieses Zeichen wurde vor allem in den oberen erzgebirgischen Revieren, sowohl den sächsischen als auch den böhmischen, verwendet und war besonders im 16. und 17. Jahrhundert in Gebrauch. Die Vortriebsrichtung ist dem Zeichen nicht zu entnehmen.
Dem Hauer wurde eine bestimmte Geldsumme für eine vorher festgelegte Auffahrung versprochen. Jede Woche, die er am Gedinge arbeitete, wurde der übliche Hauerlohn vom Gedingegeld abgezogen und ausbezahlt. Nach Fertigstellung der Auffahrung war das Restgeld sein Gewinn.


Bild 1.2.1.01:
Das Schneeberger Gedinge.









Bild 1.2.1.02:
Schneeberger Gedinge, um 1585. Auf einer Seitenstrecke des "Ritter St. Georg samt dem Lindwurm Stolln", Wolkenstein, Erzgebirge, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.1.03:
Schneeberger Gedinge mit einer Inschrift, Quartal Crucis, V. Woche, 1585. Auf einer Seitenstrecke des "Ritter St. Georg samt dem Lindwurm Stolln", Wolkenstein, Erzgebirge, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.1.04:
Schneeberger Gedinge, 16. Jahrhundert. Grube im Kiesholz, Marienberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.1.05:
Schneeberger Gedinge, 16. Jahrhundert. Reicher Silbertrost Stolln, Geyer, Erzgebirge, Sachsen. Foto Norbert Schüttler.









Angaben über das Vorkommen von Schneeberger Gedingezeichen (aber bisher keine Fotos) liegen aus folgenden Gruben vor:
"Heilig Geister Stollen" und "St. Erasmus Stollen", Glashütte, Erzgebirge, Sachsen;
"Elias Stollen" und "Ursula Stollen", Pobershau, Erzgebirge, Sachsen;
"Orgel-Stollen", Annaberg, Erzgebirge, Sachsen;
"St. Briccius", Königswalde bei Annaberg, Erzgebirge, Sachsen;
"Segen Gottes Erbstollen", Wolkenburg bei Glauchau, Sachsen;
Schneeberg, Erzgebirge, Sachsen;
St. Niklasberg bei Moldava, Erzgebirge, Böhmen, Tschechische Republik.




Bild 1.2.1.06:
Verbreitung des Schneeberger Gedinges in Sachsen.



Literatur:
ST. ADLUNG (1998): Gedinge- und Vortriebszeichen im sächsischen Erzbergbau.- Schriftenreihe Akten und Berichte vom sächsischen Bergbau, Heft 7. Jens-Kugler-Verlag Kleinvoigtsberg.

© Thomas Witzke und die jeweiligen Bildautoren {mospagebreak}

1. Gedinge- und Vortriebszeichen, Jahrestafeln, Vortriebstafeln

1.2. Formen von Gedingezeichen

Es können zwei grundlegende Typen von Gedingezeichen unterschieden werden, das "Schneeberger Gedinge" und das "Freiberger Gedinge", benannt nach dem vermutlichen Ort der Entstehung. Beide Typen differieren in Form und Verbreitung. Während das Schneeberger Gedinge zeitlich und räumlich eher begrenzt auftritt, hat das Freiberger Gedinge eine zum Teil recht große Verbreitung erfahren. Die Verbreitungsgebiete überschneiden sich zum Teil. Gelegentlich finden sich auch beide Zeichen in einer Grube, allerdings zeitlich nacheinander. Es können zwei grundlegende Typen von Gedingezeichen unterschieden werden, das "Schneeberger Gedinge" und das "Freiberger Gedinge", benannt nach dem vermutlichen Ort der Entstehung. Beide Typen differieren in Form und Verbreitung. Während das Schneeberger Gedinge zeitlich und räumlich eher begrenzt auftritt, hat das Freiberger Gedinge eine zum Teil recht große Verbreitung erfahren. Gelegentlich finden sich auch beide Zeichen in einer Grube, allerdings zeitlich nacheinander.


1.2.2. Das Freiberger Gedinge

Die zweite Form wird nach ADLUNG (1998) nach dem Ort der Entstehung "Freiberger Gedinge" genannt. Die Grundform des Freiberger Gedingezeichens ist ein senkrechter Strich mit kurzem waagerechten Anstrich in der Mitte, der die Vortriebsrichtung angibt. Daneben gibt eine Reihe von Sonderformen, die zum Teil erstmals bei Adlung (1998) dokumentiert werden, für das Nachreißen der Firste oder Strosse (oder Wassersaige) oder auch von Firste und Strosse gemeinsam. In einigen Fällen fehlt der kurze waagerechte Anstrich, vermutlich dann, wenn das Gedinge vom Steiger der Grube in Vertretung des Geschwornen abgenommen wurde. Zu den auf den Bildern dargestellten Zeichen gibt es noch die spiegelbildlichen Formen bei Vortriebsrichtung von der anderen Seite. Nicht immer sind die Zeichen korrekt eingeschlagen. Es gibt sichere Fälle, in denen die waagerechten Anstriche in die falsche Richtung zeigen.
Die Zeichen müssen auch nicht vom Auffahren einer Strecke, sondern können auch vom Nachreißen stammen. Obwohl für spezielle Formen des Nachreißens Sonderzeichen existieren, wurden diese nicht immer verwendet. Es finden sich zum Teil auch normale und Sonderformen innerhalb einer nachgerissenen Strecke.


Bild 1.2.2.01:
Das Freiberger Gedinge mit Sonderformen.









Bild 1.2.2.02:
Das Freiberger Gedinge mit Sonderformen.









Das Gedinge wurde alle vier oder fünf Wochen abgenommen und die Strecke vermessen. Entsprechend der aufgefahrenen Strecke wurde der Gedingegewinn oder Verlust berechnet. Durch die regelmäßige Abnahme des Gedinges konnten veränderte Gesteinsfestigkeiten eher bemerkt und wenn erforderlich, ein anderes Gedingegeld festgelegt werden. Wie in Kapitel 1.1. zu sehen, ist bei kleinen, unbedeutenden Gruben, die vermutlich das Geld für den Geschworenen sparen wollten, auch eine Abrechnung des Gedinges im Quartal erfolgt.
Das Freiberger Gedinge ist nicht nur aus dem Freiberger Revier bekannt, auch in Kamsdorf/ Thüringen ist es öfter anzutreffen, ebenso ist es aus Schmiedefeld/Thüringen und dem Sauerland bekannt.

Die Gedingezeichen sind unterschiedlich groß, von etwa 4 cm bis etwa 20 cm Größe, und unterscheiden sich auch in der Ausführung. Einige Beispiele dafür sind auf den folgenden Bildern dargestellt. Eine untypische Form ist gelegentlich im Kamsdorfer Revier zu finden. Sie erinnert an das Zeichen für das Nachreißen von Firste und Strosse, weist jedoch noch einen gegabelten waagerechten Anstrich auf (Bilder1.2.09 und 1.2.11). Da es sich in verschiedenen Stollen mit "normalen" Zeichen abwechselt und keine Hinweise auf Nachreißen zu finden sind, dürfte es sich wohl nur um eine stilistische Variante von einem Geschwornen handeln.


Bild 1.2.2.03:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen mit einem Quartalswinkel, aus der Grube Reiche Zeche, Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.2.04:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen, aus dem ursprünglichen Teil der Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.2.05:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen, aus dem Reicher Silbertrost Stolln, Geyer, Erzgebirge, Sachsen. Bemerkenswert ist, dass es in dem Stollen auch ältere Schneeberger Gedingezeichen gibt. Foto Norbert Schüttler.









Bild 1.2.2.06:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen, Oberscheibe bei Schwarzenberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Holger Lausch.









Bild 1.2.2.07:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen aus dem Neuhoffnung Stollen, Kamsdorf, Thüringen, vor 1739. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.2.08:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen aus dem Neuhoffnung Stollen, Kamsdorf, Thüringen, vor 1739. Untypische Form mit gegabeltem Anstrich. Foto Michael Pfefferkorn.









Bild 1.2.2.09:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen aus dem Juliane-Stollen, Kamsdorf, Thüringen, zwischen 1727 und 1774. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.2.10:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen aus dem Juliane-Stollen, Kamsdorf, Thüringen, zwischen 1727 und 1774. Untypische Form mit gegabeltem Anstrich. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.2.11:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen, Mittlerer Fürstenstollen, Steinheid (nordwestlich von Sonneberg), Thüringen. Foto Michael Pfefferkorn.









Bild 1.2.2.12:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen, Unterer Tiefer Thal Stollen, Goldhausen bei Korbach, Sauerland. Vor 1585. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.2.13:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen, am Georgschacht (neben einem Bereich, der offenbar besonders sorgfältig auf Gold abgebaut wurde), Goldhausen bei Korbach, Sauerland. Vor 1585. Foto Thomas Witzke.









Bemerkenswert ist die im folgenden Bild dargestellte Situation mit zwei Gedingezeichen und einem Markscheidekreuz. Dass nur die Auffahrung weniger cm im Gedinge vereinbart wurde, ist sehr unwahrscheinlich, dafür dürfte der Verwaltungsaufwand zu groß sein. Möglicherweise hat es hier eine Korrektur gegeben oder das Gedinge ist aus irgendwelchen Gründen abgebrochen worden.


Bild 1.2.2.14:
Einfaches Freiberger Gedingezeichen, Markscheidekreuz und zweites Gedingezeiches, aus dem Juliane-Stollen von Kamsdorf, Thüringen. Zwischen 1727 und 1774. Foto Michael Pfefferkorn.










Sonderform für Abnahme des Gedinges durch einen Steiger

Neben dem einfachen Gedingezeichen taucht als Sonderform ein Zeichen auf, bei dem der waagerechte Anstrich fehlt. Wahrscheinlich hat hier der Steiger in Vertretung des Geschwornen das Gedinge abgenommen. Das Zeichen ist aus dem Freiberger Revier bekannt und wurde inzwischen auch schon im Kamsdorfer Revier in Thüringen gefunden.


Bild 1.2.2.15:
Freiberger Gedingezeichen, wahrscheinlich vom Steiger in Vertretung des Geschwornen abgenommen, aus der Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Erzgebirge. Vom Nachreißen der Rösche, um 1855. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.2.16:
Freiberger Gedingezeichen, wahrscheinlich vom Steiger in Vertretung des Geschwornen abgenommen, von 1817. Größe etwa 10 cm. Trau auf Gott Erbstolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.










Sonderformen für das Nachreißen der Firste, der Sohle oder Firste und Sohle

Bild 1.2.2.17:
Freiberger Gedingezeichen, für das Nachreißen der Firste, von 1669. Thelersberger Stolln, Brand-Erbisdorf, Sachsen. Es ist nicht bekannt, warum das Gedingezeichen doppelt eingeschlagen wurde. Foto Michael Pfefferkorn.









Bild 1.2.2.18:
Freiberger Gedingezeichen, für das Nachreißen der Firste, darunter ein Quartalswinkel für das Nachreißen der Firste und ein einfaches Gedingezeichen, um 1800. Das einfache Gedingezeichen ist verkehrt eingeschlagen, denn der Stollen endet rechts blind. Trau auf Gott Erbstolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.2.19:
Freiberger Gedingezeichen, für das Nachreißen der Firste, aus der Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Vom Nachreißen der Rösche, um 1855. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.2.20:
Freiberger Gedingezeichen, für das Nachreißen der Sohle bzw. Wassersaige, aus dem Verträgliche Gesellschaftsstollen, Freiberg, Sachsen. Foto Michael Pfefferkorn.









Bild 1.2.2.21:
Freiberger Gedingezeichen, für das Nachreißen der Sohle, um 1800. Trau auf Gott Erbstolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.2.2.22:
Freiberger Gedingezeichen, für das Nachreißen der Sohle bzw. Wassersaige und der Firste, aus dem Wapplerstollen, Schmiedefeld/Gebersdorf, Thüringen. Die Gedingezeichen sind durchnummeriert bis zur Ortsbrust. Foto Michael Pfefferkorn.









Bild 1.2.2.23:
Freiberger Gedingezeichen, für das Setzen eines Gewölbes, von 1878. Weißtaubner Stolln, Pobershau, Erzgebirge, Sachsen. Foto Michael Pfefferkorn.









Weitere Angaben über das Vorkommen von Freiberger Gedingezeichen liegen aus folgenden Gruben vor:
"St. Lampertus", Hohenstein, Sachsen;
Könitz bei Saalfeld, Thüringen;
Stollen am Eichberg, Wickersdorf südwestlich von Saalfeld, Thüringen;
"Mit Gebeth und Arbeit", Reichmannsdorf südwestlich von Saalfeld, Thüringen;
"Glücksbrunn", Glücksbrunn, Thüringen.






Bild 1.2.2.24:
Verbreitung des Freiberger Gedinges in Sachsen.





Bild 1.2.2.25:
Verbreitung des Freiberger Gedinges in Thüringen.




Literatur:
ST. ADLUNG (1998): Gedinge- und Vortriebszeichen im sächsischen Erzbergbau.- Schriftenreihe Akten und Berichte vom sächsischen Bergbau, Heft 7. Jens-Kugler-Verlag Kleinvoigtsberg.


© Thomas Witzke und die jeweiligen Bildautoren {mospagebreak}



1.3. Quartalswinkel

Der Quartalswinkel ist je nach Vortriebsrichtung ein L-förmiges Zeichen (Vortrieb von rechts) bzw. das dazu spiegelbildliches Zeichen (bei Vortrieb von links, vom Betrachter aus). Wie bei den Gedingezeichen gibt es auch hier dokumentierte Fälle von verkehrt herum eingeschlagenen Zeichen.
Quartalswinkel wurden alle viertel Jahre eingeschlagen, um den jeweiligen Stand des Vortriebs zu dokumentieren. Sie sind damit, sofern Abfolgen von derartigen Zeichen vorhanden sind, ein wertvolles Dokument über die Vortriebsleistungen.
Die Quartalswinkel wurden vom Geschwornen eingeschlagen. Die Größe der Zeichen und auch die Ausführung kann stark variieren.
In den meisten Fällen stehen die Quartalswinkel alleine. Öfter finden sich Gedingezeichen unmittelbar daneben, da es aus Gründen der Abrechnung offenbar praktisch war, das Ende eines Gedinges auch mit dem Ende eines Quartals zusammen fallen zu lassen. Selten finden sich andere Angaben neben den Quartalswinkeln wie z.B. Lachterangaben.


Bild 1.3.01:
Quartalswinkel und darunter ein Gedingezeichen, Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.3.02:
Quartalswinkel aus dem Juliane-Stollen, Kamsdorf, Thüringen. Zwischen 1727 und 1774. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.3.03:
Quartalswinkel aus dem Zentralrevier von Kamsdorf, Thüringen. Das Zeichen ist verkehrt eingeschlagen, die an den Prunen erkennbare Vortriebsrichtung stimmt nicht mit der durch das Zeichen angegebenen Richtung überein. Foto Thomas Witzke.









Merkwürdig ist folgende, im Bild dargestellte Situation aus einem Flügelort des Treue Gewerken Verbindlichkeit Stollens in Kamsdorf, Thüringen.Hier findet sich neben einem kleinen, flüchtig in den Fels geschlagenen Quartalswinkel ein weiterer, sauber ausgeführter Winkel von etwa 15 cm Größe. Diese Anordnung ist in Kamsdorf noch einige weitere Male, wenn aber auch selten, zu beobachten. Denkbar ist hier, daß es eine Korrektur, vielleicht nach einer Neuvermessung der aufgefahrenen Strecke gegeben hat.
An der Stelle, wo sich die Winkel befinden, kam das Flügelort um 1840 an.


Bild 1.3.04:
Zwei Quartalswinkel. Flügelort des Treue Gewerken Verbindlichkeit Stollens in Kamsdorf, Thüringen, um 1840. Foto Michael Pfefferkorn.









Gelegentlich finden sich neben den Quartalswinkeln zusätzliche Informationen. Hier ein Beispiel mit der Angabe Quartal Reminiscere 1770 aus der Himmelfahrt Fundgrube in Freiberg sowie ein Beispiel mit Entfernungsangaben zum Mundloch in Lachtern aus dem Trau auf Gott Erbstolln in Lichtenberg bei Freiberg.


Bild 1.3.05:
Quartalswinkel mit Angabe Quartal Reminiscere 1770 sowie einem Gedingezeichen. Himmelfahrt Fundgrube, Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.3.06:
Quartalswinkel mit Lachterangabe bis zum Mundloch (113 Lachter), von 1814. Trau auf Gott Erbstolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bisher in der Literatur offenbar noch nicht dokumentiert ist ein auf dem Kopf stehendes L, sicher ein Quartalswinkel für das Nachreißen der Firste, vergleichbar dem Gedingezeichen. Das Zeichen wurde jedoch auch innerhalb eines Stollens nicht einheitlich verwendet. So finden sich z.B. in der Müdisdorfer Rösche für das Nachreißen der Firste sowohl die eigentlichen Quartalswinkel L als auch das auf dem Kopf stehende Zeichen. Auch zu diesem Zeichen existiert wieder die spiegelbildliche Form bei Vortrieb von links.


Bild 1.3.07:
Quartalswinkel für das Nachreißen der Firste, aus der Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Vom Nachreißen der Rösche, um 1855. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.3.08:
Quartalswinkel für das Nachreißen der Firste, aus der  Grube Gesegnete Bergmannshoffnung, Obergruna, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









mögliche Vorläufer der Quartalswinkel

Die Quartalswinkel finden sich im Erzgebirge ab dem 16. Jahrhundert. Vermutlich als Vorläufer wurden nach ADLUNG (in LEUPOLD & HOCKER) für jedes Quartal eigene Zeichen verwendet: Reminiscere "Z", Trinitatis "T", Crucis (ein auf dem Kopf stehendes "L") und Luciae "L". Der einfache Quartalswinkel leitet sich dann von dem "L" für Luciae ab. Das Zeichen für Crucis darf hier nicht verwechselt werden mit dem identisch aussehenden, im Bild 1.3.06 und 1.3.07 dargestellten Quartalswinkel für das Nachreißen der Firste.
Einen Hinweis auf derartige Vorläufer könnten die Stufen in einer Grube im Kiesholz bei Marienberg bieten. Hier taucht jedoch ein "R"-ähnliches Zeichen auf, das auch für das Quartal Reminiscere stehen könnte. Diese Deutung bietet sich an, da auch ein "T"-ähnliches Zeichen und ein "L" gefunden wurden. Problematisch ist jedoch, dass die Zeichen in der Grube z.T. recht weit auseinander liegen und eine kontinuierliche Abfolge fehlt. Insofern sind diese Deutungen nur als Vermutung zu betrachten.


Bild 1.3.09:
Eventuell Zeichen für Quartal Reminiscere. Zweite Hälfte 16. Jahrhundert. Grube im Kiesholz, Marienberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.3.10:
Eventuell Zeichen für Quartal Trinitatis. Zweite Hälfte 16. Jahrhundert. Grube im Kiesholz, Marienberg, Sachsen. Foto Michael Pfefferkorn.









Bild 1.3.11:
Eventuell Zeichen für Quartal Luciae. Zweite Hälfte 16. Jahrhundert. Grube im Kiesholz, Marienberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.










© Thomas Witzke und die jeweiligen Bildautoren {mospagebreak}



1.4. Jahrestafeln

Jahrestafeln dokumentieren den Vortrieb des jeweiligen Jahres. Im Freiberger Revier wird das Schlagen von Jahrestafeln 1785 erstmals in einem Regulativ geregelt. Ältere Tafeln mit Jahresangaben stehen meist im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen und werden in Kapitel 4.1. behandelt.
Die Jahrestafeln müssen nicht von der Auffahrung stammen, auch beim Nachreißen von Stollen wurden solche Tafeln geschlagen.

Das genannte Regulativ findet sich bei ADLUNG (1998) auszugsweise abgedruckt und soll nach dieser Quelle auch hier wiedergegeben werden:
"... Sonnabend der 12. Woche im
Quartal Luciae 1785, 24. 12. 1785
Einhauung der Jahresstuffen auf den Gruben,
durch die Herrn Revier-Geschwornen

Um eines theils den fahrenden Beamten in Stande zu setzen, sogleich in der Grube übersehen zu können, wie die Hauptarbeiten einer Grube durch Abteufen in den Kunst- und Treibeschächten, ingleichen durch Betrieb der Stolln- Mittel- und Gezeugstrecken - Ortern, in jedem Jahre fortgegangen, andern theils die angestellten Markscheidern deren Obliegenheit es ist, auf den Hauptrißen der Gruben von Zeit zu Zeit wenigstens alljährlich nachzubringen, mit ihren Zügen näher zu übersehen, überhaupt aber beyderley Arbeiten, so viel wie möglich auf gleiche Zeitpuncte zu setzen, und hiernach ihre Gemerkungen genau zu bestimmen, ist es von Seiten des Bergamtes nach angestellter Überlegung und hierzu eingehohlter Approbation f. Hochlöbl. Oberberg Amts vor wohlgetan und nöthig angesehen worden, die allgemeine Einrichtung dahin zu treffen, daß jeder wder Refierfahrenden Herrn Geschworenen auf den Gruben der ihm anvertrauten Refiere
1.) vor jedem betreibenden Stolln- Mittel- und Gezeugstrecken Ort, nicht weniger vor jedem Haupt - Abteufen, worunter aber kurze Versuchs - Orter, Gelärsche und kleine Gesenke nicht zu verrstehen, beym Schluß des Quartals Luciae eines jeden Jahres, eine vollkommen zuverlässige Jahresstuffe mit der Jahr - Zahl als zb:
L. 1785
einhaun.
2.) Für diese Einhauung einer Jahres Stuffe in der Grube erhält dagegen der Refierfahrende Geschworene, jedesmal im Quartal Reminiscere des darauffolgenden Jahres, ebensoviel als für eine Markscheide - Stuffe, nehmlich Acht Groschen Gebühren, bei alten vergewerkschafteten Gruben, ingleichen von den in Erzlieferung stehenden Eigenlehner - Zechen, und reichet darüber, weil diese Verschreibung beym Register nicht in Anschnitt sondern in das Capital Insgemein kommen, alljährlich ein doppeltes Verzeichniß der eingehauenen Jahresstuffen, mit der Anzeige, wie viel vor jeden Ort des Jahres aufgefahren, und in den Haupt - Abteufen alljährlich abgeteuft sey? längstens mit Schluß des neuen Quartals Reminiscere f.a. zur Anordnung der passirlichen Verschreibung mittels des Haußhalts - Protocolls zum Berg Amt ein, wovon das eine Exemplar zum Hochlöbl. Ober Berg Amt eingereicht, das zweite aber an den Markscheider, zur Completirung des Nachbringens auf den Rissen hinaus gegeben, von den letzteren, nach erfolg der Züge, mit darauf gebrachten kurzen Bemerkungen, wo das Nachbringen geschehen, und die Einhauung der Jahres - Stuffe gefunden worden, wieder zum Berg Amte zurücke gegeben wird.
Mit dieser allgemeinen Einhauung der Jahres - Stuffe, soll beym gegenwärtigen Ablauf des 1785ten Jahres der Anfang gemacht werden, weshalben Berg Amts wegen sämtliche Herrn Refiergeschworenen, sowohl als die Herrn Markscheidern, hiernach angewiesen, und ihnen die sorgsame Beobachtung solcher Anordnung, damit der vorhabende Endzweck erreichet werde, angelegenst empfohlen worden. Anbey ward zugleich beschlossen, denen sämmtlichen Herrn Schichtmeistern und Eigenlehnern, bey ihrer nächsten Anwesenheit zur Aufrechnung an der Bergamtsstelle davon Eröffnung zu thun, und das weitere Nöthige hierunter anzuordnen ...
"


Im Freiberger Revier zeigen die Tafeln eine Jahreszahl und den Quartalswinkel (bzw. die spiegelbildliche Form, je nach Vortriebsrichtung). Die Ausführung der Tafeln ist sehr unterschiedlich. Es finden sich Jahreszahlen, die einfach in eine mehr oder weniger ebene Gesteinsoberfläche geschlagen wurden. In den meisten Fällen wurde jedoch zunächst eine ebene Grundfläche von etwa 15 x 30 cm in das Gestein gehauen und hier dann die Jahreszahl und der Winkel. Auch vorgefertigte Steintafeln aus Gneis, Sandstein oder Schiefer kamen zum Einsatz, die untertage in herausgehauene Nischen gesetzt wurde. Gelegentlich gibt es auch Tafeln aus Holz.
Oft befindet sich der Quartalswinkel zwischen der zweiten und der dritten Zahl, aber es gibt auch zahlreiche Tafeln, auf denen das nicht der Fall ist, sondern bei denen er direkt vor oder nach der Jahreszahl steht, oder auch bis zu etwa einem halben Meter entfernt sein kann. Da die Tafeln auch für markscheiderische Zwecke verwendet wurden, sind häufig Bohrlöcher und Holzdübel für das Anbringen der Schnur zu beobachten.
Im folgenden sollen einige Jahrestafeln unterschiedlicher Ausführung und Erhaltung im Bild vorgestellt werden.


Bild 1.4.01:
Jahrestafel von 1790, aus dem Trau auf Gott Stolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Der Quartalswinkel fehlt hier. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.02:
Jahrestafel von 1791, aus dem Trau auf Gott Stolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.03:
Jahrestafel von 1791, aus der Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Mit Quartalswinkel und einem "L" in Schreibschrift für Quartal Luciae. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.04:
Jahrestafel von 1791, aus der Grube Himmelfahrt, Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.05:
Jahrestafel von 1792, aus der Grube St. Michaelis, Bärenstein bei Altenberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Holger Lausch.









Bild 1.4.06:
Jahrestafel von 1793, aus dem Trau auf Gott Stolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Mit Holzdübel im Quartalswinkel. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.07:
Jahrestafel von 1795, aus der Grube Rheinisch Wein, Halsbrücke bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Holger Lausch.









Bild 1.4.08:
Jahrestafel von 1798, aus der Grube Reiche Zeche, Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.09:
Jahrestafel von 1813, aus der Grube Reiche Zeche, Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.10:
Jahrestafel von 1829, aus der Grube Gesegnete Bergmannshoffnung, Obergruna bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.11:
Jahrestafel von 1831, aus der Grube Gesegnete Bergmannshoffnung, Obergruna bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.12:
Jahrestafel von 1842, als Stein im Ausbau. Alte Hoffnung Erbstolln, Schönborn-Dreiwerden, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.13:
Jahrestafel von 1852. Thelersberger Stolln, Brand-Erbisdorf, Sachsen. Foto Michael Pfefferkorn.









Bild 1.4.14:
Jahrestafel von 1852, vom Nachreißen der Rösche. Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.15:
Jahrestafel von 1855, vom Nachreißen der Rösche. Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.16:
Jahrestafel von 1857, vom Nachreißen der Rösche. Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Auch aus dem Kamsdorfer Revier, Thüringen, ist eine Jahrestafel mit einem Quartalswinkel bekannt.


Bild 1.4.17:
Jahrestafel von 1857, aus dem südlichen Flügelort vom Veltheimstollen bei Silberkrone, Kamsdorf, Thüringen. Foto Michael Pfefferkorn.









Zuweilen finden sich an den Jahrestafeln auch Lachterangaben. Hier ein Beispiel aus Jöhstadt von 1795 mit der Angabe 18 Lachter, aus Zug bei Freiberg von 1848 mit der Angabe von 46,4 Lachtern sowie aus der Segen Gottes Fundgrube bei Zöblitz, Erzgebirge von 1866 und der Angabe 61,2.


Bild 1.4.18:
Jahrestafel von 1795 mit Lachterangabe. Andreas Gegentrum, Jöhstadt, Erzgebirge, Sachsen. Foto Robert Brückl.









Bild 1.4.19:
Jahrestafel von 1848 mit Lachterangabe 46,4. Vom Leander Stehenden, Zug bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Michael Pfefferkorn.









Bild 1.4.20:
Jahrestafel von 1866 mit der Angabe 61,2 und einem Quartalswinkel. Segen Gottes Fundgrube, Zöblitz, Erzgebirge, Sachsen. Foto Robert Brückl.









Auch in anderen Revieren gibt es Jahrestafeln, die sich jedoch in der Ausführung unterscheiden. Aus dem Reicher Silbertrost Stolln bei Geyer ist eine Tafel mit der Jahreszahl 1589 bekannt. Der senkrechte Strich zwischen der zweiten und dritten Ziffer weist darauf hin, dass es sich vermutlich um eine echte Jahrestafel, d.h. eine zum Jahreswechsel geschlagene Tafel, handelt, und nicht um eine "Ereignistafel", die von einem beliebigen Zeitpunkt im Jahr stammen kann.
Im Ernst August Stollen im Harz findet sich eine Tafel, die nicht den Stand zum Jahresende, sondern zum 1. Januar 1888 dokumentiert.


Bild 1.4.21:
Vermutliche Jahrestafel von 1589 (mit Strich zwischen der 5 und der 8), aus dem Reicher Silbertrost Stolln, Geyer, Erzgebirge, Sachsen. Foto Norbert Schüttler.









Bild 1.4.22:
Jahrestafel vom 1. Januar 1888 aus dem Ernst August Stollen, Harz, Niedersachsen. Foto Michael Pfefferkorn.










Literatur:
ST. ADLUNG (1998): Gedinge- und Vortriebszeichen im sächsischen Erzbergbau.- Schriftenreihe Akten und Berichte vom sächsischen Bergbau, Heft 7. Jens-Kugler-Verlag Kleinvoigtsberg.

© Thomas Witzke und die jeweiligen Bildautoren {mospagebreak}



1.5. Vortriebstafeln

Die folgenden Beispiele stellen Tafeln dar, die einen Vortrieb oder einen Arbeitsfortschritt zu einem gewissen Zeitpunkt oder innerhalb einer Zeitspanne dokumentieren. Ihre Funktion entspricht damit den Jahrestafeln, jedoch wurden sie nicht zum Jahreswechsel geschlagen, oder sie stellen ein Analogon zu den Quartalswinkeln dar.


Die nächsten zwei Bilder zeigen Tafeln aus dem Freiberger Revier, die den erreichten Vortrieb innerhalb eines Jahres (von Sept. 1767 bis Sept. 1768 bzw. Sept. 1769 bis Sept. 1770) dokumentiert. Bemerkenswert ist die Gestaltung der unteren Begrenzung der Tafeln.

Bild 1.5.01:
Tafel über den Vortrieb in einem Jahr, aus der Grube Reiche Zeche, Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Text:
VON QVARTAL
CRV IN 37 W 1767
BIS IN 37 W CRV
68 SIND 52 LA
AVFGEFARN
WORDEN
gehauen
VON G E



Bild 1.5.02:
Tafel über den Vortrieb in einem Jahr, aus der Himmelfahrt Fundgrube, Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Die folgende Lachtertafel vom Quartal Reminiscere 1769 findet sich in Kamsdorf, Thüringen. Auf ihr ist die Strecke 24 ¾ Lachter vermerkt.


Bild 1.5.03:
Tafel vom Quartal Reminiscere 1769 mit Lachterangabe, Kamsdorf, Thüringen. Foto Michael Pfefferkorn.











© Thomas Witzke und die jeweiligen Bildautoren {mospagebreak}

1. Gedinge- und Vortriebszeichen, Jahrestafeln, Vortriebstafeln

1.6. Zähltafeln, sonstige Abrechnungen von Arbeitsleistungen

Neben dem Vortrieb wurden auch andere Arbeiten im Bergbau wie Zimmerung, Mauerung usw. verdingt. Nur in Ausnahmefällen dürften sich hier Hinweise auf derartige Gedinge untertage in Form von Zeichen oder ähnlichem finden, da die Abrechnung in anderer Form erfolgte. Nummerierungen am Gewölben oder an Ausbauten könnten auf derartiges hinweisen. In der Müdisdorfer Rösche bei Brand-Erbisdorf lassen eingeschlagene römische Zahlen an Stellen, an denen ehemals Holzausbauten vorhanden waren, eine derartige Deutung zu.
Neben schriftlichen Quellen können z.B. Kerbhölzer oder Steckbretter Hinweise auf die Abrechnung anderer Arbeitsleistungen im Bergbau geben, allerdings muß nicht notwendigerweise ein Gedinge vorliegen.

In den Kalksteingruben bei Maastricht finden sich öfter eingekratzte oder aufgemalte Zeichen, die von einer Zählung der abgebauten Kalksteinblöcke stammen. Oft handelt es sich um einen senkrechten Strich, an dem links und rechts kleine Striche in Fünfergruppen für die abgebauten Blöcke stehen.


Bild 1.6.01:
Eingekratzte Zählung der abgebauten Kalksteinblöcke, 16. Jahrhundert. Caestert-Grube, Petit Lanaye, Belgien (direkt südlich von Maastricht). Foto Thomas Witzke.









Das folgende Bild zeigt eine Letten"tafel" nach dem Prinzip des Steckbrettes mit einem verwittertem Holzstift zum Zählen von Hunten und befindet sich an einem Füllort in Kamsdorf, Thüringen.


Bild 1.6.02:
Lettentafel zum Zählen der Hunte an einem Füllort. Kamsdorf, Thüringen. Foto Michael Pfefferkorn.









© Thomas Witzke und die jeweiligen Bildautoren

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